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Ein
Weiser schätzt kein Spiel, wo nur der Zufall regieret.
Gotthold Ephraim Lessing (1729-81)
Im
traditionellen Verständnis des malerischen Schaffensprozesses steht
die Zeichnung am Anfang. Die klassische Gattungshierarchie räumt
ihr daher auch eine bescheidenere Stellung ein und misst ihr häufig
reinen Entwurfscharakter bei. Bestenfalls wird die Zeichnung als spontaner
Ausdruck des künstlerischen Genies gefeiert, während erst das
in Öl gemalte Opus den Anspruch des vollendeten Meisterwerks genießt.
Zeichnungen bei Volker Saul hingegen bilden vielmehr die Grundbausteine
seiner Kunst, sind Bezugspunkte. Dabei macht der Titel Mixes and
Remixes bereits deutlich, dass es um das Verhältnis zweier
Zustände oder Erscheinungsformen geht.
Seine Zeichnungen sind abstrakte Formfindungen, lineare Gebilde, mäandernde
Geflechte, die Volker Saul in zeichnerischer Manier auf Papier bannt.
Von besonderer Bedeutung ist dabei Sauls spezielles Verfahren: Anstelle
traditioneller Zeichengeräte wie der Tuschefeder, eines Zeichenstiftes
oder eines Pinsels hat er 1988/89 während seiner Schaffensphase in
Kunst-Station Sankt Peter zu Köln die Farbtube als Zeichenmedium
entdeckt die Farbe wird gleichmäßig aus der Tube gedrückt
und in sanft schwingenden Bewegungen über den Zeichengrund (extrem
saugfähiges 170-g-Karton-papier) geführt. Dabei lenkt er den
konzentrierten Fluss der Tubenfarbe in stets gleich bleibender Breite
über das Papier, höchst absichtsvoll und bedächtig, nie
impulsiv oder emotionsgeladen. Anders als die meisten herkömmlichen
Zeichnungen, die vom nervösen Tasten des Formfindungsprozesses leben,
setzt Volker Saul seine Tube vor der Fertigstellung nur selten ab und
verzichtet auf jegliche malerische Effekte. Im Gegenteil: Er ringt den
Linien eine absolute Eindeutigkeit und Endgültigkeit ab, lässt
im Ergebnis nur glasklare, grafisch sauber laufende Spuren zu.
Dies hat stets langwieriges Experimentieren zur Folge, mühsame Versuchsanordnungen
gehören zum Prozess aus Finden und Verwerfen, Erproben und Entdecken,
aus dem gleichsam destilliert die perfekte Linienform gewonnen wird.
Weiß man um diese Methode, wird bald klar, dass Saul sich gleichermaßen
mit den Komponenten Zufall und Kontrolle auseinander setzen muß:
Zunächst erheben seine zu amorphen Gebilden geronnenen Linien keinen
Anspruch auf irgendeine Form von Darstellung, weder im naturalistischen
noch im realistischen Sinne. Und doch erstickt die konkrete Natur der
Linie nicht im Formalismus. Volker Saul negiert nicht das zufällige
Entstehen subtiler narrativer oder figurativer Elemente: Linien schließen
sich zum ewigen Reigen oder verharren merkwürdig offen, brechen um
imaginäre Kanten, bilden Ringe oder sondern sich zellartig ab. Zufall
und Kontrolle generieren so bizarre, geisterhafte Wesen, nur grundstimuliert
von fernen Anleihen aus der realen Formenwelt. Und dennoch sind keine
reinen Zufallsprodukte intendiert, wie sie durch den inszenierten psychischen
Automatismus die kontrollierte Subjektivität abzustreifen und als
Medium des Unterbewussten einzusetzen suchten. Volker Sauls
Linien gehorchen letztlich dem Kalkül, der Lenkung durch die schöpferische
Instanz.
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