Wer
Annebarbe Kaus Skulpturen betrachtet und ihre Raumarbeiten betritt, registriert
sofort, daß diese Kunst keine Wirklichkeit imitieren will. Zu offenbar
sind die einzelnen Elemente ihrer Arbeiten, die Materialien und die technische
Funktionsweise einer Installation: zuweilen technoid, doch sublim ausgewogen
und auf das Nötigste reduziert. Gleichwohl wecken sie in ihrer spröden
Poesie, bar jeder mimetischen Anmutung, leise Assoziationen, die sich
nicht aufdrängen und einem eingehenden Betrachter Raum für Vorstellungen
lassen. Eine Solch hohe Suggestivität bei sparsamen imitativen Konzept
erscheint paradox und faszinierend. Nachfolgend sei dieses Phänomen
skizziert anhand von einigen Arbeiten der letzten Zeit, von Installationen,
die subtil auf die Parameter Raum, Dimension, Helligkeit reagieren, die
Klang und bewegte Bilder einbeziehen.
Berührungen
Hände streicheln, befühlen, betasten eine Fläche. In der
Dortmunder Sankt-Petri-Kirche wird dieses Bild auf einen steinernen Wandsockel
projiziert; die Handlung wird formal gespiegelt, der Tastsinn dem Augensinn,
das Haptische dem Optischen konfrontiert. Bewegtes Licht berührt
die Oberfläche und diese bleibt trotzdem präsent. Berührung
bedeutet Aufeinandertreffen, nicht Verschmelzung. So wird im Verzicht
auf grellen Reiz und Effekt, einem Wesenszug all ihrer Kunst, das haptische
Erleben eines unbelebten Gegenstandes zur bedeutungsgeladenen Handlung
visualisiert, das Alltägliche zum meditativen Erlebnis.
"Rondine"
In einem Bunker ohne Tageslicht sind zehn runde Neonlampen auf einer Wand
verteilt. Durch die beiden Durchgänge dringt das scharfe Licht nach
außen. Die Stromkabel sind mit wenigen Ösen auf der Wand befestigt,
so daß ihre Führung die elektrische Versorgung sinnfällig
macht- eine lineare zeichnerische Vernetzung. Das Licht ist keine geschlossene
Form, sondern verteilt sich scheinbar zufällig, geduldet, die Wand
sukzessive okkupierend, wie ein Rosenstock wachsend. Die Kargheit und
Atemlosigkeit des Raumes wird dadurch extrem spürbar und im Licht
potenziert.
"Die
Wand"
Formal vergleichbar erscheint die Klangskulptur im Arnsberger Kunstverein:
Von zwei Verstärkern aus ranken Lautsprecherkabel die Wand empor
zu den kreisförmigen Klanggehäusen. Das scheinbar den Lesegewohnheiten
von links aus entgegenkommende Aufstreben suggeriert Vegetabiles, eine
Kletterpflanze, die fixiert und geschützt wird von Maschendraht.
Atemgeräusche aus den kreisförmigen Chassis, die somit weit
über die visuelle Akzentuierung hinaus zu akustischen Kraftzentren,
zu Klangöffnungen, zu Mündern einer lebenden Wand werden, erwecken
zusätzlich die Suggestion von Lebendem bei avanciertem Purismus
der Form und technoider Erscheinung.
"Krk",
"Splash", "mon amie", "Das Spiel"
Annebarbe Kaus jüngste Skulpturen greifen verstärkt den Aspekt
des Einkleidens und -sperrens eines Kerns auf. Titel verweisen lautmalend
auf dieses akustische Zentrum, dessen Ursprung nie synthetisch, sondern
natürlich ist. Der kleine Hochtöner von "Krk", aufgehängt
in korbartiger Hülle, läßt einen Hängekäfig
assoziieren besonders wegen des Krk-Geräuschs; an einen Bodenbrunnen
erinnert von fern das unregelmäßige Plätschern des zwischen
Pappe und Gapäckspinne gefangenen Lautsprechers von "Splash".
Die geometrische Form des Zylinders dient Kau als Hülle von "mon
amie ", als Drahtröhre, aus der ein Atmen emporsteigt - kanalisiert
wie in einer Herz-Lungen-Maschine. Das abwechselnde Geräusch von
Werfen und Fangen aus den beiden Tönern von "Splash" visualisiert
den Ping-Pong-Effekt aus den Anfangsjahren des Stereo. Das Spiel findet
nicht im freien Raum statt, pulsiert zwischen den Enden der Röhre.
|