Annebarbe Kau |
Anita Shah: Ein Gespräch zwischen Annebarbe Kau und Anita Shah im August 1999. |
In: Katalog Annebarbe Kau. Video- und Klangobjekte, herausgegeben von Hans-Werner Schmidt und Kunsthalle zu Kiel, 1999, S. 18-21. |
Anita
Shah: Warum ist die Natur im weitesten Sinne nahezu immer in deinen
Arbeiten präsent? Als ästhetischer Gegenpol zu der eingesetzten
Technik? Vielleicht kannst du etwas zu dem Verhältnis der künstlerischen
und natürlichen Bestandteile in deinen Arbeiten sagen.
Hier scheint mir doch ein zentraler Aspekt deiner Video- und Klanginstallationen
angesprochen zu sein. Annebarbe
Kau: Das ist mir noch gar nicht aufgefallen. Nein, Natur ist kein
Hauptthema in meiner Arbeit, jedenfalls nicht in dem Sinne wie Maria Sybilla
Merian ihre naturwissenschaftlichen Studien beschrieben hat. Ich unterscheide
nicht zwischen mir und der Natur als dem Anderen. Wie höre ich denn
zum Beispiel Vogelgezwitscher von einer CD? Ich entscheide, ob ich es
als Tierstimme oder elektronisches Signal aufnehme. Ich höre beides.
Ist also die Trennung zwischen künstlich und natürlich nicht
reine Willkür? A.S.:
Ich möchte nochmal anhand einiger Arbeiten von dir auf dieses Problem
zurückkommen Arbeiten, von denen ich denke, daß sie
sich mit dem Thema Natur/ Technik auseinandersetzen. Zum Beispiel hast
du elektronische Bilder assoziativ mit Walfischgesängen verknüpft
(Die Linie, 1988). Oder du berücksichtigst Elemente wie einen
Baumstamm und Waldboden (namen, 1992), die direkt auf die Natur
verweisen oder künstliche, aus unserem Alltag stammende Dinge, wie
zum Beispiel Neonlampen, die so an der Wand befestigt werden, daß
ihr Spiel aus Licht und Schatten an einen wachsenden Rosenstock erinnert
(Rondine, 1995). A.K.:
Ich persönlich sehe diese Arbeiten nicht so naturlyrisch. Rondine
zum Beispiel war ja in einem Bunker installiert. Dort führte die
Anzahl der Lampen zu einer Helligkeit, die einen an Verhöre erinnert.
Dabei waren es nur banale Küchenlampen. A.S.:
Das Tonmaterial entstammt aus der umgebenden Wirklichkeit und hat für
die Komposition eine entscheidende Bedeutung. Wenn du die Kompositionselemente
definierst, die Fragmente zusammenstellst, werden hierbei immer die beiden
Bereiche Natur beziehungsweise Zvilisation mit einbezogen? A.K.:
Die Wirklichkeit, die mich umgibt, ist mein Reservoir, sei es die
Tonkonserve oder der echte Vogel. Aber mein Interesse ist
es nicht Wirklichkeit abzubilden, sondern eigene Erfahrungswelten aufzubauen. A.S.:
Als Gegenpol zu den Video- und Klangobjekten, die ja aufgrund des verwendeten
Materials eher schwerlastig sind, möchte ich deine Arbeiten auf Papier
ansehen die Buntstiftzeichnungen, die fliegengewichtigen
Kordel- und Drahtzeichnungen. In deine Installationen beziehst du seit
etwa drei Jahren weiche, stark farbige Materialien mit ein. Kannst du
beschreiben, wie es dazu kam? A.K.:
Es war spannend, meine Material- und Farbvorlieben zu durchbrechen und
mich mit neuen Farben zu konfrontieren. Es hat auch mein Gefühl für
Norm und Geschmack erweitert. In diesem Zusammenhang ist auch die weiche
Skulptur in mein Blickfeld geraten. A.S.:
Kommen wir zum Thema Farbe in deiner Arbeit: Über die Verwendung
von farbigen Materialien heraus, fällt mir auf, daß die Farbe
auch bei der Auswahl der Motive und der Kolorierung in der Weiterbearbeitung
eine Rolle spielt, so etwa in dem Video Blau II, in dem die Farbe
Blau ja dann sogar den Titel gibt. Möchtest du mit der Farbe als
klassischem Gestaltungsmedium der Malerei, Stilmittel der Malerei auf
das elektronische Bild übertragen? A.K.:
Das elekronische Bild hat ja bereits eine eigene Farbigkeit entwickelt,
die sich von der Malerei und ihrer Geschichte unterscheidet. In der Malerei
ist sie Materie, im Video ist die Farbe Licht. Ich entscheide vor dem
Monitor, welche Farbe ich will: schwarz oder gelb und so weiter. Da ich
keine Wirklichkeit abbilden will, habe ich ja freie Hand. A.S.:
Können wir auf die Frage nach der Bedeutung der Malerei für
dein Werk zurückkommen? In BLAU II verweisen die Auswahl der
Motive, die Bildkomposition, die extreme Nahsicht, die fast abstrakten
Farbflächen, der Ausschnittcharakter doch auf viele Erscheinungen
in der Malerei der Moderne. Du knüpfst sogar an traditionelle Sujets
an Stilleben, Seestücke und Landschaften. Hier gehst du über
die Momentaufnahme von Natur hinaus, indem du dich auch mit der Rezeption
von Natur in der Kunstgeschchte auseinandersetzt. A.K.:
Vieles wird ja immer durch die Brille der Malerei wahrgenommen. Aber für
mich ist sie kein Maßstab. Ich muss mich erreichen. A.S.:
Die Farbe Blau weist auf den Himmel, das Meer, auf Unendlichkeit hin
in welchem Sinne ist diese Farbe von dir eingesetzt worden? In diesem
Zusammenhang möchte ich auch die Titel der Arbeiten in der Kieler
Ausstellung ansprechen (BLAU II; GRÜN; Gelb).
A.K.:
Meine Titel sind meist sehr profan und direkt. Sie haben nur ein paar
Schnörkel, Grün sieht man ja, ist grün und so weiter, aber
es ist auch in einem Werkkomplex entstanden, wo mich der Begriff RGB
(Rot Grün Blau) aus der Video- und Fernsehtechnik interessierte,
die Farbbausteine, aus denen ein Videobild zusammengesetzt wird. A.S.:
Problematisieren deine Arbeiten die Korrelation von verschiedenen
visuellen, haptischen und akustischen Sinneseindrücken? Hier kommen
wir auf das Zusammenspiel von Tonspur und Bild, das schon in frühen
Arbeiten eine Rolle spielt (zum Beispiel in Undine von 1986). Wie
stellt sich für dich das Verhältnis zwischen Bild und Ton dar? A.K.:
Nun, für mich sind die Elemente von Bild und Ton gleichwertig,
obwohl die Bildebene sicherlich fast noch wichtiger ist. Die Lautsprecher
werden nach optischen Kriterien ausgesucht und der Verkäufer schüttelt
oft darüber den Kopf. Auch die Tonspur selbst hat viele bildnerische
Überlegungen. Wenn ich zum Beispiel mit Geräuschen komponiere,
erlebe ich das räumlich. Die Grillen in Gelb bewegen sich
von links nach rechts, von vorne nach hinten und so weiter. Es sind Klangzeichnungen. A.S.:
Das Verhältnis von Bild und Ton in den früheren Tapes, den Videoinstallationen
und den Kanginstallationen wird bestimmt von der Frage, wie sich eine
Wirklichkeit zwischen diesen Ebenen konstituiert. Durch die Existenz des
jeweils anderen gewinnt das Bild beziehungsweise der Ton ein Moment hinzu,
das die Eindeutigkeit des Motivs oder Geräuschs in Frage stellt und
dem Betrachter, der sich räumlich zwischen diesen beiden Ebenen bewegt,
ermöglicht Assoziationen zu entwickeln. Die Versatzstücke deiner
Installationen, wie Kabel, Verstärker, CD-Player, weiche und farbige
Materialien stellen eine Mischung dar, deren Synthese nur vom Ausstellungsbesucher
vollzogen werden kann. Die Collage von Bild und Ton wird vom ihm gleichzeitig
wahrgenommen. Was passiert, wenn eine Ebene wegfällt? A.K.:
Der Mensch benötigt, um sich zurechtzufinden beides, mal mehr das
eine als das andere, auch Stille ist ja eine wichtige Komponente beim
Betrachten von etwas. Man kann sich aber auch die Ohren zu halten und
sehen was man dann erlebt. A.S.:
Dient dein Werk dann nicht auch der Selbsterfahrung? Denn die Aktivität
des Besuchers, der sich in deinem Installationsraum bewegt, verändert
ja auch die persönliche, sinnliche Erfahrung des Kunstwerkes? A.K.: Kunst sollte immer ein Gespräch eröffnen mit Fragen nach sich selber, an den Anderen und das Andere. |