Annebarbe Kau |
Anita Shah: Über die Blume, BLAU, GRÜN und Gelb von Annebarbe Kau. |
In: Katalog Annebarbe Kau, Video- und Klangobjekte", 12. September bis 7. November 1999, Kunsthalle zu Kiel. |
Bereits
die Ende der 80er Jahre entstehenden Videobänder von Annebarbe Kau
kennzeichnen gleichrangige visuelle und akustische Reize. Minimale Bildsequenzen
werden von mehr oder weniger komplexen Klangkompositionen begleitet. Diese
Verknüpfung von Bild und Ton entwickelt die Künstlerin in ihren
Videoinstallationen zunächst weiter. Dabei behandelt sie Monitor,
Lautsprecher und Kabel nicht nur zweckgebunden, sondern als Objekte mit
skulpturalen Qualitäten. In den folgenden Jahren grenzt sie Bild
und Ton immer stärker voneinander ab, gibt die ursprüngliche
Einheit von Video- und Klanginstallation schließlich auf und produziert
Tapes ohne Ton, Klangobjekte ohne fließende Bilder. In dem Kabinett der Kunsthalle zeigt Annebarbe Kau vier Arbeiten, davon eine mit Video und drei mit Ton. Elektronische Bilder, ein Monitor, Stahlseile, menschliche Stimmen, alltägliche Geräusche und Klänge aus der Natur, kräftige Farben, weiche Materialien, Lautsprecher und Kabel treffen aufeinander. Diese Rauminstallation zum Sehen, zum Hören und zum Erfühlen verdankt ihre Spannung der Kombination von Versatzstücken, die auf Natur, Zivilisation und mediale Wirklichkeit verweisen.
BLAU
II Die
Stunde Blau ist der kurze Ein
mit blauer Folie umwickelter Monitor hängt an Stahlseilen von der
Decke herab, mit nach oben weisender Bildfläche: Eine ungewöhnliche
Perspektive für die Betrachtung von bewegten Bildern. Ebenso überrascht
die Tonlosigkeit dieser für Kiel aktualisierten Videoarbeit BLAU
II von 1997/99. Den stumm vorübergleitenden Sequenzen liegen Aufnahmen
von alltäglichen natürlichen Erscheinungen zugrunde,
von Schmetterlingen im Fliederbaum, Wellen und blühenden Pflanzen.
Dieses die Natur abbildende Quellenmaterial hat die Künstlerin elektronisch
verfremdet. Es wurde auf minimale Bildfolgen reduziert, im rhythmischen
Wechsel montiert, sein Bilderfluß verlangsamt und blau koloriert. Den
Beginn des Videos markiert eine extreme Nahsicht. Auf einer
blauvioletten Blütendolde hat sich ein Pfauenauge niedergelassen.
Die farbenprächtige Zeichnung seiner ausgebreiteten Flügel leuchtet
in kräftigem Rotbraun, Gelb und Blau. Mittels Überblendung geht
das Motiv langsam in eine gekräuselte kräftigblaue Wasseroberfläche
mit tanzenden Lichtreflexen über, eine um 90 Grad verschobene Sequenz,
die wie ein flukturierendes abstraktes Farbfeld wirkt und erst allmählich
sanfte rhythmische Wellenbewegungen von rechts nach links erkennen läßt.
Sie wird abgelöst von Bildern, die nicht wie bisher ein ruhiges Verweilen,
sondern ein schnelles Hin und Her der Kamera bezeugen. Flüchtig streift
diese Pflanzen, zwischen deren dunklen Blättern hellblaue und gelbe
Blüten aufblitzen. Die
Motive dieser drei Sequenzen wiederholen sich leicht variiert in wechselnder
Folge. Insbesondere malerische Qualitäten klingen in den langen Einstellungen,
der extremen Nahsicht, der Farbgestaltung und den angedeuteten Abstraktionen
an. Nicht unmittelbare Natur wird hier wiedergegeben, sondern die Verwandlung
bereits abgebildeter Natur in eine künstliche Wirklichkeit bezeugt.
Dennoch bleibt Natur erkennbar und auf vielfältigeArt und Weise assoziierber.
So mag der Titel im Zusammenhang mit den Bildfolgen auf Himmel oder Meer
hinweisen, mit der Tonlosigkeit und Farbgestaltung auf das Phänomen
der blauen Stunde...Erfahrungsgemäß eng mit den
Motiven verknüpfte Töne und Klänge werden erinnert, über
das visuelle wieder erlebbar gemacht, gehört, wie etwa
Meeresrauschen in Verbindung mit dem Wellenmotiv. Die Darstellung von Natur, die das ursprüngliche Material noch kennzeichnete, ist in der Videosequenz einer künstlerischen Bearbeitung gewichen, die zugleich geprägt ist von kulturellem Wissen und medialen Möglichkeiten.
GRÜN Zwischen
zwei von der Wand in den Raum hineinragenden mit grünem Kunstrasen
überzogenen Drahtgestellen ist es deutlich zu hören: entfehrntes
Vogelgezwitscher und das Summen einer Fliege in unmittelbarer Nähe,
das mal lauter, mal leiser, mal von rechts, mal von inks kommt, das an-
oder abschwillt und im rhythmischen Wechsel gänzlich verstummt. Die
Konzentration auf diese im Alltag als lästig und störend empfundene
Fliegengebrumme läßt Raum an sich sinnlich erfahrbar werden:
Je nachdem wie laut oder leise der Ton wahrgenommen wird, desto näher
oder ferner wird das Insekt imaginiert. Die
verschiedenen Klänge breiten sich objekthaft im Raum aus. Digitale
Technik ermöglicht die perfekte Trennung des Schalls von seinem Entstehungsort.
Auf diese Weise werden Geräusche und Klänge zu einem formbaren,
kombinierbaren Material. So wie die Bildfolgen eines tonlosen Videobandes
auch von rhythmischen, im weitesten Sinn von akustischen Momenten gekennzeichnet
sind, so besitzen Klänge immer noch visuelle Eigenschaften: Der Summton
der vermeintlichen Fliege wechselt von spitzer über runder
zu größer und dann wieder zu kleiner... Verschiedene
Tonspuren mit Aufzeichnungen von banalen natürlichen
Geräuschen sind für die Arbeit GRÜN von 1997 bearbeitet
und kombiniert worden. Diese Komposition aus unterschiedlichen Klängen
wird zu einem gestalterischen Mittel, das sich gleichwertig neben visuellen,
also plastischen Elementen behauptet und mit der Architektur des Raumes
kommuniziert. Je nach Standort ändert sich die Wirklichkeit dieser
Collage aus Objekt und Ton. Das Zusammenspiel von grünem Kunstrasen,
von Vogelgezwitscher, Fliegengebrumme und nicht zuletzt dem Titel beschwört
eine visuelle Vorstellung herauf, etwa von einer Frühlingswiese.
Bei intensivem Hinhören jedoch wird dieser Eindruck immer zweifelhafter,
gibt das Brummen ein natürliches Geräusch wieder
oder ist es ein abstrakter von der Künstlerin elektronisch erzeugter
Ton?
DIE
BLUME Das
sich am Rande zum Kitsch bewegende Klangobjekt Die Blume von 1998
besteht aus vier kleinen und vier großen flauschigen Plüschkissen
in kräftigen Gelb- und Orangetönen, deren stilisierte Form an
spitz zulaufende Blütenblätter denken lassen. Fächerartig
sind diese um einen kleinen rautenförmigen Lautsprecher angeordnet,
der in einem schwarzen Tonkabel mündet, das sich schließlich
am Boden entlang bis zum CD-Player schlängelt. Die
optischen und akustischen Verknüpfungen zwischen Objekt und Klang
sind vielfältig, ihre Verbindungen, formaler und assoziativer Art.
Das Klangbild hat keinen narrativen Charakter, sondern einen föllig
offenen. Ungewiss bleibt, wen die Stimme anredet, woher sie spricht, wie
der Klangraum aussieht. Kategorien wie menschlich, natürlich,
künstlich, und virtuell sind untrennbar miteinander
verschmolzen.
GELB Die
für das Kieler Kabinett konzipierte Klanginstallation besteht aus
vier objekthaft eingesetzten runden Lautsprechern mit Tonkabeln, die,
an gelber Wäscheleine befestigt, von der Decke parallel zur Längswand
hängen. Diesen minimalen Skulpturen mit schwarzgelbem Rand entströmt
das eine natürliche Umgebung suggerierende Gezierpe von zunächst
einer Grille. Schon bald scheint diese von einer zweiten begleitet zu
werden. Ihre Zweistimmigkeit erzeugt einen satten Klangraum, der Lebendes
assoziiert. Diesem steht die nüchternde Kargheit des sichtbaren Materials
gegenüber, der Purismus der Form und die technoide Erscheinung. Annebarbe
Kau überschreitet die Grenzen der traditionellen aber auch der technologischen
Medien. Ihre Installationen sind eine Synthese aus Bild, Objekt, Klang,
Bewegung, Zeit und Raum. Sie wirken unmittelbar und zeitgleich auf die
Sinne. Die verschiedenen Klangkompositionen durchdringen sich nicht störend,
sondern ergänzend. Das Kabinett wird in einem Erlebnisraum
verwandelt, indem man sich zwischen Wiklichem und Virtuellem, zwischen
Gegenwart und Erinnerung bewegt. So wie Bilder mit Geräuschen, sind
Klänge mit visuellen Erfahrungen verknüpft: Hören erinnert
an Gesehenes, Sehen an Gehörtes. Die sinnliche Wahrnehmung, das Wiedererkennen
verschmilzt augenblicklich mit einer seelischen Empfindung, ein Vorgang,
den Marcel Proust besonders anschaulich beschrieben hat: Das Aroma eines
in Tee getauchten Madeleinegebacks genügte, um einen heftigen Strom
schmerzhaft süßer Erinnerungen an Jugendtage auf dem Land wachzurufen... Annebarbe Kau setzt den möglichen Erinnerungen an Natur künstliche und mediale Objekte der Jetzt-Zeit entgegen. Die anfängliche Irritation bewirkt ein kritisches Hinterfragen des Wahrgenommenen, ein intensives Hinsehen und Hinhören. In ihrer Kunst spiegeln sich dynamische und gesellschaftlische Prozesse wider. Die Natur, die technisch reproduzierber geworden ihren originalen, autonomen Charakter eingebüßt hat, ist heute untrennbar mit Kultur und Zivilisation verwoben. Die von der Künstlerin verwendeten Motive tragen dieser Entwicklung Rechnung: Meer, Blumen, Schmetterlinge, Vogelgezwitscher und Grillenzirpen gelten als Vokabular einer überholten Naturvorstellung, das hier in verfremdeter, medial bearbeiteter Form zum Einsatzt kommt. Eine natürliche Atmosphäre wird je nach Bedarf aus einzelnen Bausteinen entworfen, mit künstlichen und elektronischen Materialien und Medien kombiniert. Die Suche nach interdisziplinären Schnittstellen ist die Antwort der Künstlerin auf die aktuellen Übrschneidungen von Natur und Zivilisation.
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