In
den Videoarbeiten und Installationen von Annebarbe Kau bilden Beobachtungen
substanzieller Abläufe den Ausgangspunkt ihrer künstlerischen
Arbeit. Bild und Ton, obwohl zumeist auf unterschiedlichen Eben eingesetzt,
werden als komplementäre Faktoren einer untrennbaren Einheit begriffen.
Über die gegenläufigen, einander verstärkenden Elemente
dieser Einheit wird der Zuschauer allmählich in den Ablauf der Bänder
eingeführt und zu assoziativen Bild- und Kompositionsdeutungen angeregt.
Hierbei nimmt man das Abspielen des Tapes nicht einfach als Vorziehen
von gegebener Zeit wahr. Sehen und Hören werden vielmehr subjektiv
verlangsamt und beschleunigt, so daß das komponierte Geflecht optischer
und akustischer Einheiten jedem Band seinen jeweils eigenen zeitlichen
"Puls" eingibt. Dies berührt Fragestellungen moderner Musik,
in der verschiedene Klangfarben und Tempi zwar zugleich erklingen, aber
auch ihre, eben eigene, Zeit ausführen.
Das Zusammenwirken von Bild und Ton, die Durchdringung von Raum und Zeit,
die in Bewegung und Rhythmus ausgedrückte formale Struktur hat die
Künstlerin in den lerzten Jahren immer stärker ausgearbeitet
und verfeinert. So sind neben den Videoarbeiten auch Klanginstallationen
entstanden, die eine weitere Stufe in der Reflexion wahrnehmungsorientierter
Phänomene darstellen.
In ihren Videoarbeiten verzichtet Annebarbe Kau auf den Einsatz rasanter,
effekthaschender Schnitt- und Bildfolgen.
Dabei spielt die beziehungsvolle Nähe von Bild, Sprache und Ton in
einem sich verändernden Zeitkontinuum eine besondere Rolle. Die nach
der Düsseldorfer Akademie-Zeit entstandenen Bänder "Undine"
(1986) und "Garten im Raum" (1987) stehen für den Beginn
einer eigenständigen künstlerischen und intellektuellen Auseinandersetzung.
So werden in "Undine" mit Sprache, Musik und Geräusch drei
verschiede Handlungsebenen aufgebaut, die zunächst inhaltlich unverbunden
nebeneinander ins Bild gesetzt werden. Annebarbe Kau greift auf eine Textsequenz
aus "Undine geht" von Ingeborg Bachmann zurück, die die
Künstlerin aus dem Off spricht. Des weiteren sehen wir, wie sich
aus einem Wasserhahn ein Wasserstrahl in den Abfluß eines alten
steinernden Handwaschbeckens ergießt. Sprache und willkürlich
herbeigeführter Ton werden durch die Musik ihres Saxophonspiels erweitert.
Aus dem anfänglichen Nebeneinander werden durch Schnittfolgen und
Überlagerungen Musik, Sprache und Wassergeräusch zueinander
in Beziehung gesetzt, bis die sich so miteinander verweben, daß
die getrennten Ausgangspunkte der Handlungsabläufe in den Hintergrund
treten. Der unterschiedliche Einsatz von Bild und Ton als bewußtes
Gestaltungsmittel wird in dem dreiminütigen Band "Garten im
Raum", 1987, evident. Wieder werden verschiedene Bildebenen eingesetzt,
die von einem Text in japanischer Sprache begleitet weden. Bild und Sprache
lassen einen nicht meßbaren Raum entstehen, der durch die Lautmalerei
einer uns fremden Sprache und den damit verbunden Entstehen assoziativer
Bildsequenzen geprägt ist.
Die differenzierte Kompositionsauffassung der Künstlerin gewinnt
in den musikalisch ausgerichteten Bändern "Caina" (1988)
und "Duo" (1989) einen verdichteten und künstlerisch hochstehenden
Ausdruck. In beiden Arbeiten werden Bild und Ton als zwei Grundelemente
der Viodeokunst aufeinander bezogen. Gleichzeitig kann man die Schwierigkeit
erahnen, mit bildnerischen Mitteln der Musik nahezukommen.
In "Caina" stehen ein ländlich geprägter Ort in Umbrien
und die Sonate für Cello solo von Bernd Alois Zimmermann als gegensätzliche
Elemente ausschnitthaft im Zentrum einer subjektiven Annäherung durch
die Künstlerin. Aus der sensiblen Verknüpfung bildhafter und
musikalischer Elemente überträgt sich auf den Betrachter eine
Stimmung, die aus der Überlagerung eigener Empfindungen das anfänglich
Fremde vertraut erscheinen läßt. Und wenn am Schluß in
der abschließenden Sequenz Bild und Ton in einer besondernen Verlangsamung
miteinander in Übereinstimmung gebracht werden, dann hallt das dramatisch
dargebrachte Cellospiel in dem ruhigen Schlußbild eindringlich nach.
Der subjektiv und emotionale Charakter, der sich in der Wahl der Musik
ausdrückt, die korrespondierende Annäherung in der Bildsprache
und das Aufbauen von Wahlverwandtschaften imaginierter Haltung führen
in "Duo" (1989) auch zu einer komplexen formalen Gestaltung.
So sieht man die beiden Hände mit den Schlagstöcken, die den
Trommelwirbel auf dem Schlagzeug hervorbringen, während in diesem
fragmentarisierten Bildausschnitt die handelnde Figur der Musikerin ausgeblendet
bleibt. Zum Rhythmus der Musik kommt die horizontale Verschiebung der
Bilder, die in unterschiedlichen Ausblendungen bis auf schmale Sehschlitze
verkleinert zu einer geheimnisvollen Verdichtung des Bildes beitragen.
Die Bewegung und Überlagerung von Bild und Fläche, die sich
farbliche Konsequenz in lichtem Gelb und Schwarzabstufungen durchhalten,
vollziehen sich in einem engen Verhältins zu Klang und Rhythmus der
Schlagzeugmusik, woraus sich ein virtuos angelegter Bewegungsablauf von
Bild und Ton entfaltet, der in dem Moment zum Ende des Bandes führt,
als beide Bereiche sich für einen Augenblick zu einer Einheit verbinden.
Dies wird in "m" (1990) weiter durchgestaltet. Die hörbaren
Sequenzen wie z. B. rieselnder Sand, Snare des Schlagzeuges, Stimmübungen,
Umrühren des Kaffees und Lachen bleiben als eigenwertige Geräusche
erhalten, da sie nicht eindimensional auf ein Bild bezogen werden.
Vielmehr besteht zwischen Bild- und Tonfolge ein offener Bezug, ähnlich
zweier Parallelen, die sich annähern, berühren und wieder trennen.
In diesem Wie des Aufeinanderbezogenseins scheint die emotionale Teilnahme
der Künstlerin am Komponieren mit Bild und Ton auf.
In dem neusten Band "namen" (1992) werden weitere Aspekte von
Annebarbe Kaus Arbeit deutlich. Neben der oben erwähnten Relation
von Bild und Ton richtet die Künstlerin hier ihr Augenmerk besonders
auf Bewegung und Licht. Die erste Sequenz vermittelt, mit statischer Kamera
gesehen, das Verstreuen von Sand, dessen Staub im abgedunkelten, milden
Licht eines Innenraumes verfliegt. Diese Einstellung, mehrmals wiederholt,
wird unterbrochen durch Bilder einer Kamera, die um sich selbst dreht
und ein Interieur in Schwarz-Weiß zeigt. Dem stehen langsame Außenaufnahmen
von Baumstamm und Waldboden und ein Umkreisen der Lichtpartikel, die durch
eine Baumkrone fallen, gegenüber.
Die enge Verzahnung von bildender Kunst und Musik haben den Arbeiten von
Annebarbe Kau auch unter den Videokünstlern ihrer Generation einen
besonderen Rang gesichert. Die Künstlerin hat durch den Verzicht
auf die am Videoclip orientierten rasanten Schnitt- und Bildfolgen zu
einer poetisch eindringlichen Bildsprache gefunden, die in ihrer Ausdruckskraft
schon einen unverwechselbaren Charakter hat.
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