Annebarbe Kau |
Annelie Pohlen: Konzentration und Verstreuung. |
In: Kalalog Annebarbe Kau, Berührungen Video-und Klanginstallationen, 25. Okt.30. Nov.1996, St. Petri Kirche, Dortmund |
Annebarbe Kaus Installationen sind solche für Räume, in die Menschen eintreten, um vom Werk umgeben zu werden, dieses aufzunehmen und aus subjektiver sinnlicher wie geistiger Wahrnehmung fortzuführen. Am Anfang steht die Wahl des Raumes als Ort der Ruhe und Konzentration, eines Raumes, der Aufführung und Wahrnehmung einer subtil vernetzten Komposition aus Bild und Ton in einem Geflecht elektronischer Medien wie der ihnen eigenen Gerätschaften Projektionsapparaturen, Monitore, Lautsprecher, Kabel u.a. ermöglicht. Kirchenräume und Museen sind aus diesem Blickwinkel verwandt. Sie weisen die Hektik, das Getriebe der Außenwelt ab, sind im Idealfall Räume, in denen Energien zu Entfaltung gelangen, in die der Besucher eintaucht, um von dort seinen eigenen Raum aufzubauen. Annebarbe Kaus Werk ist ein solches der Interaktion. Im Zentrum stehen Bild und Ton als eigenständige Träger von kompositorischen Teilen, die über die ihnen zeitgemäßen Geräte, eben Lautsprecher und Monitor sowie Projektoren, in den Raum ausgestrahlt werden. Über die Offenlegung aller diesen Trägern eigenen materiellen Gegebenheiten wird der Raum vernetzt, strukturiert, rhythmisiert, wird zum Ort einer die Grenzen von technologischen und traditionellen Medien sprengenden Gesamtinszenierung. Von dort treffen die Impulse auf die Sinne Hören und Sehen , um das Aufgenommene zum Ort je eigener immaterieller Erfahrung zu vernetzen. Mit
der Arbeit für Dortmund verdichtet die Künstlerin Aspekte ihrer
langjährigen Auseinandersetzung mit Bild und Ton zu einer über
den tatsächlichen Ort hinausweisenden Vision von der Wahrnehmung
als schöpferischer Selbstfindung im Raum der Stille. Von
der Tonquelle löst sich das zunächst Rätselhafte auf in
Bekanntes, wenngleich nicht auf Anhieb Identifizierbares: Vogelstimmen,
Pingponggeräusche, Wechselspiele zwischen dem, was man Natur nennt,
und dem, was der Alltagszivilisation zuzurechnen wäre, gemischt jenseits
rationaler Strukturen, frei flottierend zwischen den Tonquellen. Der Betrachter
nimmt dies als Klangbewegung im Raum wahr. Annebarbe Kaus Schritt in den in unserem Kulturkreis belasteten, weil mit dem Konflikt zwischen hohen Erwartungen und bitteren Enttäuschungen über Jahrtausende angefüllten Ort, weist den unmittelbaren Bezug ab und nimmt den Ort frei von jedwedem religiösen Impetus als Ort der Stille, des Abstands, der Konzentration. Dies entspricht dem Werk, in welchem Reduktion und Fülle, Konzentration und Verstreuung sich zur Reflexion dessen verdichten, was wir undifferenziert mal Ort, mal Raum nennen. Beide sind existent für den Menschen, ohne dessen Anwesenheit und Wahrnehmung nach unserem kulturellen Verständnis von beidem nicht zu reden wäre: Raum als Ort, in dem sich Energien verströmen, um im sehenden und hörenden Betrachter auf den Brennpunkt zu treffen, in dem sich das Werk entfaltet als Erlebnis eines je subjektiv geprägten immateriellen Raumes. Video und CD's sind die Speicher, Monitor und Lautsprecher die Sender, die sich als materielle Quellen identifizieren lassen und was die Inszenierung in aller Regel verdeutlicht als Bestandteile der skulpturalen Installation selbst den Ort der Inszenierung rhythmisieren und somit Bewegungsimpulse an den Betrachter ausstrahlen. Diesen im konventionellen Sinne meßbaren Stationen, die den Raum definieren, korrespondiert auf der immateriellen Ebene im Subjekt die Wahrnehmung von Ort als Ausdehnung, die vom Raum als von einem essentiellen Ort, der eigentlichen Form des Werkes sprechen läßt. Es ist der Raum, dessen materielle Grenzen nicht auszumachen sind, da diese sich im Netzwerk der physischen, psychischen und geistigen Reaktionen des wahrnehmenden Subjektes auflösen. Definitionen verflüchtigen sich im Zusammenwirken von Elementen, die, dem Alltag entnommen, Bewußtes und Unbewußtes aktivieren wie Urton und Echo, Bild und Nachbild, Licht und Schatten, ohne daß das eine oder das andere je deutlich voneinander zu trennen wäre. Im Zentrum, genauer an den vielen Schnittstellen der sich im Raum vernetzenden Energien bewegt sich der Mensch, der wie die Hände tastend seine Wirklichkeit aufbaut. Die
Anlage der Arbeiten basiert auf dem Zusammentreffen des Ausschnitthaften,
welches auf etwas außerhalb verweist und zugleich ob seiner Reduktion
auf minimale Strukturen literarische Deutung abweist. Die künstlerische
Komposition der Teile beruht auf Schichtungen wie auf gegenläufigen
Konstellationen, in denen Licht und Dunkel, Ton und Stille die eigentlichen
"Akteure"sind. Ihr Zusammenwirken setzt die Bewegung in Gang,
in die der Betrachter eindringt als weiterer Energieträger, Empfänger
und Sender zugleich bei der Bestimmung des Raumes/Werkes als Ort von Konzentration
und Verstreuung. "Oft
sind Klanginstallationen auch als Räume der Konzentration und Ruhe
gedacht, manchmal sogar als Plätze einer umfassenden ganzheitlichen
Erfahrung, Sonderformen des Bewußtseins finden in ihnen Platz",
schreibt Helga de la Motte-Haber im Katalog zur Ausstellung Amphion 1992
(Potsdam, Köln, S.17). Indes gewinnt das Werk durch die schillernden
Übergänge zwischen dem Lapidaren und dem Poetischen, dem Alltäglichen
und dem Entgrenzten, dem subjektiv Spontanen und dem streng Komponierten
Distanz zu Vorstellungen, die Ganzheit verheißen als je erreichbares
Ziel. Die
Hand ist wie der Ton Fragment, Baustein für ein intermediales Kunstwerk
an einem Ort, der auf besondere Weise Bild und Ton zu transportieren in
der Lage ist über die je individuelle Erfahrung zufällig und
gezielt eintretender Besucher. Eine Kirche in einer Einkaufszone kann
allenfalls entfernt jene Stellung wahren, die Kirchen einst im Zentrum
menschlicher Gemeinschaften wahrgenommen haben. Sie ist Fragment einer
Vorstellung von Konzentration auf ein Wesenhaftes und Ort, in dem sich
heute Menschen aus unterschiedlichsten, somit unganzheitlichen Gründen
bewegen. So gesehen bringen die Besucher als solche Fragmente eines ganzheitlichen
Wollens in diesen Raum, wo sie Akteure in einem Werk werden, das die einen
willentlich, die anderen zufällig aus ihrem eigenen Energiepotential
vernetzen. Die
deutlichen Impulse zur Konzentration, zur Ruhe verbinden sich so zwangsläufig
mit den Energien der Verstreuung. Über die Vielpoligkeit der Betrachtungsweisen
gewinnt die Vorstellung von Konzentration gegenwärtige Bedeutung.
Weder Vorstellungen von spannungsloser Geborgenheit noch solche vom Kosmos
als einem Paradies lebendigen Einklangs zwischen Mensch und Natur bestimmen
das Werk, sondern die spannungsreiche Bewegung zwischen den sich wechselseitig
und gegenläufig zueinander verhaltenden elementaren Bausteinen aus
dem jedem Individuum bekannten Umfeld von Natur, Zivilisation und medialer
Wirklichkeit. Das Motiv der Hand als Projektion und der Ton als wandernder
immaterieller Körper im Raum bestimmen Ausgangspunkte der Wahrnehmung.
Aus der essentiellen Reduktion auf die Energien des Bruchstückhaften,
der Zerstreuung, der kollidierenden Wirklichkeiten, der sich überlagernden
Schichten, filtert das wahrnehmende Subjekt seinen eigenen Ort, an welchem
Ruhe zugleich Spannung und Bewegung beinhaltet und Anspannung sich aufhebt
in Konzentration. In dieser Ambivalenz bestimmt das Werk seinen eigenen Raum als zeitgenössischen Ort der Kommunikation an der Nachtstelle zwischen Außenwelt und Innenraum im je individuell agierenden Subjekt. Dieses Subjekt tritt in einen Raum, in dem seine eigene Bewegung Gestaltung ist im eigentlichen Sinne des Wortes, in dem sie den Speicher Werk aufschließt als Energiepotential zur Wahrnehmung dessen, was Wirklichkeit ausmacht: die Bestimmung des eigenen Standorts im Geflecht der Bilder und Töne, die im Raum nur durch das wahrnehmende Subjekt selbst existent sind. Indem Annebarbe Kau Bild, Ton, deren skulptural inszenierte Instrumente wie die den Raum durchziehenden Linien der Kabel als Träger sich bewegender Energien plaziert, wird der Raum zur Begegnung der ihn betretenden individuellen Subjekte mit der ihnen eigenen Wirklichkeit. Die Bausteine sind bekannt wie jene Sockel, über die die Hände streifen. Doch Bekanntes in Eigenes zu überführen, Wirklichkeit aufzunehmen, zu hören, zu erfühlen und über das sinnliche Erleben der Bausteine die eigenen Wirklichkeit als geistigen Erfahrungsraum zu errichten, ist aktiver Part der Betrachter im energiegeladenen Raum von Annebarbe Kau. So, wie die Teile des Werkes nicht ohne die Energieimpulse aus der Steckdose erlebbar werden, so erfüllt sich das Ganze nicht ohne den vielpoligen Energieaustausch mit dem durch das Werk auf sich selbst konzentrierten Betrachter. In diesem Spannungsgefüge ist Polarität nicht aufgehoben, sondern in andauernder Balance. Die Außenwirklichkeit ist im Werk gespeichert als Konzentrat von vielstimmiger Fülle, deren Wahrnehmung die Konfusion des Alltags überwindet und Wirklichkeit als Reflexion des selbst im Werk erlebbar werden läßt. |