Annebarbe Kau |
Sabine Müller: "Klang- und Videoobjekte" in der Kunsthalle zu Kiel, 12.9. - 7.11.1999. |
In: Kunstforum International, Bd. 148, Dezember 1999 Januar 2000, Themenheft "Ressource Aufmerksamkeit", S. 325f. |
Annebarbe
Kau ist eine Künstlerin, die in den verschiedensten Medien arbeitet.
Zeichnungen auf Papier entstehen gleichberechtigt neben Videobändern,
Klanginstallationen neben Tanz- oder Theaterprojekten. Das eigentliche
Ziel hinter jeder künstlerischen Aussage ist die eigene Person. Es
gilt, aus dem schier unerschöpflichen Reservoir optischer und akustischer
Reize eine sehr persönliche Auswahl zu treffen, ohne in eingefahrenen
Vorstellungen von Norm und Geschmack stecken zu bleiben. Kau bevorzugt
Materialien, die überall gegenwärtig und von daher banal zu
nennen sind. Dass die Kombinatorik solcher an sich bestens vertrauter
"Bausteine" ob aus der unmittelbaren Umgebung, aus der
Natur oder dem Baumarkt, elektronisch verfremdet oder life präsentiert
oft als ungewöhnlich empfunden wird, verweist auf die tief
im allgemeinen Bewusstsein verankerte, scharfe Trennung zwischen Mensch,
Natur und Technik. In Auseinandersetzung mit den vorhandenen geläufigen
oder gerade erst erfundenen Medien definiert sich die spezifische
Form als eine immer auf mehreren Ebenen gleichzeitig operierende "Sprache",
in der die eigene Erfahrungswelt eine adäquate Umsetzung findet. Mit
ihrer Installation im Kabinett der Kunsthalle zu Kiel konterkariert Annebarbe
Kau geradezu die zeitgleiche Hauptausstellung von Jan Farbre, der die
einzelnen Werke mit einer verschachtelten Architektur ehrfurchtsgebietender
"Cellae" bewusst voneinander isoliert. Kau öffnet den ihr
zur Verfügung stehenden, niedrigen Kabinettraum in ein Universum
tanzender Sinneseindrücke. Es ist ein domestizierter Garten, den
der Besucher hier betritt. Wie wird er empfangen? Der erste Eindruck hängt
entscheidend davon ab, ob gerade das Zirpen einer Grille, das Summen einer
Fliege oder das "Hallo" einer menschlichen Stimme an das Ohr
dringt und dementsprechend die Wahrnehmung lenkt. In den meisten Fällen
mag zunächst "Die Blume" (1998) die größte Aufmersamkeit
auf sich ziehen: Große, aufgeplusterte "Blütenblätter"
in knalligen Farben verfehlen nicht ihre Wirkung. Trotz ihrer plüschigen
Machart und der eher entnervt klingenden "Pst"- und "Hallo"-
Rufe aus dem kleinen Lautsprecher wirkt sie unbestreitbar anziehend. Ein
Objekt, noch dazu mit deutlich gegenständlicher Konnotation, das
Geräusche von sich gibt all dies erinnert an die Faszination
mechanischer Puppen. In der "sprechenden" Blume kreuzen sich
Unterscheidungen zwischen "natürlich" (die organische Form,
die menschliche Stimme) und "künstlich" (die Assoziation
mit sprechenden Apparaten, Materialität, Farbigkeit) auf verwirrende
Weise und treffen auf Wertzuordnungen wie natürlich=gut und künstlich=böse. "Blau II" (1997/99) bildet so etwas wie einen in sich ruhenden Gegenpol zu den extrovertierten Wandobjekten. Ein Monitor, eingehüllt in eine schimmernde, blaue Folie, hängt mit dem Bildschirm nach oben schwer von der Decke herab und zeigt sich in kurzen Sequenzen wiederholende Bilder. Interessanterweise evoziert eine Videoarbeit, die ohne Ton auskommt, sofort den Eindruck von Stille. Auch auf diesem Bildschirm vollziehen sich klar gesetzte Bewegungsabläufe: das Flügelschlagen der schmetterlinge, überblendet von einer starken Wellenbewegung des Meeres, die, zunächst eingefangen im Hochformat, über einer Blumenrabatte in eine kreisende Bewegung mündet, um schließlich ins Querformat umzuschlagen. Es spricht für die subversive Kraft solcher Bildchoreographie, dass selbst die Autorin im Nachhinein nicht mehr ganz sicher ist, ob sich der Monitor nicht doch ein kleines bisschen bewegt hat. |