Annebarbe Kau
Renate Roos: "Schaben schreckt auf".
In: Kölner Stadt-Anzeiger vom 16. Mai 1997, S. 21.
 

"Das Knarren eines Stuhles beim Hinsetzen, das Rascheln der Blätter, der Reibeton beim Streicheln der Haut. Es sind Töne, Klänge, aber auch Bilder aus der Erinnerung". Geradezu exotisch klingen die Worte von Annebarbe Kau im Zeitalter des medialen Overkills. Ihre Klangskulpturen entführen in eine Welt jenseits der Hektik sinnüberflutender Videoclips. Fast beiläufig liegt eine Röhre aus leuchtend rotem Plastiknetz auf dem Boden. Zwei Lautsprecher an den Enden der Röhre lassen abwechselnd einen hölzernen warmen Ton erklingen.

Mal leiser, mal lauter, erzeugt "Das Spiel" in unregelmäßigen Abständen eine innere Ruhe. Aufgeschreckt von einem schabenden Geräusch, wendet man die Aufmerksamkeit einem seltsamen Drahtkasten zu, in dessen Innerem der Lautsprecher jene unruhigen, drängenden Töne von sich gibt. Die engen Maschen visualisieren das Gehörte, lassen die Herkunft des Geräusches vor einem inneren Auge sichtbar werden.

So plötzlich wie das Schaben anfing, hört es wieder auf, und erst jetzt bemerkt man jenen Ton, der bereits die ganze Zeit im Raum ist. Erinnerungen an sanftes Meeresrauschen werden wach. "Mon amie" ist ein Geräusch, das immer gegenwärtig ist und doch kaum wahrgenommen wird; ein leises Atmen, das erst dann zum Vorschein tritt, wenn der Körper zu völliger Ruhe bereit ist.

Die Beschäftigung mit den Klangskulpturen Annebarbe Kaus bedeutet die Beschäftigung mit unserer eigenen Wahrnehmung. Werden die Sinne isoliert, so kann man erfahren, wie komplex sie miteinander verknüpft sind. Die Augen ersetzen den Tastsinn; das Gehörte weckt Erinnerungen oder erzeugt Gerüche. Langsam wird ein anderes Zeit - und Raumgefühl spürbar, das uns noch eine Weile begleitet, wenn wir wieder auf die Straße hinausgehen. (roo)