Annebarbe Kau

Barbara Becker: Gespräch mit Annebarbe Kau zu ihrer Ausstellung "Berührungen"

In: Katalog "Annebarbe Kau", Berührungen, Video-und Klanginstallationen, 25.Okt.-30.Nov.1996, St. Petri Kirche, Dortmund

 

Installationskunst ist immer wieder charakterisiert worden als eine Kunstform, die sich nicht nur quasi selbstreferentiell mit der Kunst und ihren jeweiligen Traditionen beschäftigt, sondern die darüberhinaus eine wechselseitige Annäherung alltagsweltlicher und künstlerischer Dimensionen anstrebt. Dementsprechend sind Installationen auch oft in Umgebungen präsentiert worden, die üblicherweise nicht der Präsentation von Kunst dienen. Viele Arbeiten überschreiten dabei die Grenzen der einzelnen Kunstgattungen und bemühen sich um neue Synthesen, etwa von Klang und Bild oder Kunst und Technologie, um auf diese Weise neue künstlerische Ausdrucksweisen zu erproben. Nicht selten ist zudem der Raum, in dem die jeweilige Arbeit präsentiert wird, von entscheidender Bedeutung, wird dieser doch in vielen Installationen zu einem ästhetischen Parameter, zu einem wesentlichen Teil des künstlerischen Anliegens.

In diesen Kontext sind auch die Arbeiten der Ausstellung „Berührungen“ von Annebarbe Kau eingebettet. Dementsprechend sollen im folgenden Dialog verschiedene Aspekte ihrer Arbeiten zur Sprache kommen, wie beispielsweise das spezifische Verhältnis von Bild und Klang, die Beziehung von Offenheit und Determination, die Berücksichtigung des Raumes als künstlerisches Ausdrucksmittel, das Verhältnis von Kunst und Technologie, die Frage nach der Autorenschaft, das Problem der Interaktivität und anderes mehr. Das Gespräch findet in Form eines Frage-Antwort-Dialogs statt.

BARBARA BACKER: Die Frage nach dem Verhältnis von bildender Kunst und Musik stellt sich bei einer Installation auf neue Weise.Einige Installationen, z.B. Klanginstallationen, lassen sich eher der musikalischen Tradition zuordnen, während andere Installationen eher Bezüge zur Skulptur bzw. zur bildnerischen Gestaltung aufweisen. In welcher Tradition mit ihren je spezifischen Blickwinkeln würden Sie ihre eigene Arbeit einordnen?

ANNEBARBE KAU: Für mich ist es schwierig, eine Unterscheidung zwischen diesen Traditionen vorzunehmen, weil aus meiner Sicht sowohl die Musik als auch die bildende Kunst gestalterischen Prinzipien folgen. Daher ist es eher so, daß ich mit Bildern und Tönen etwas gestalte, dabei aber bei meiner Klangarbeit weniger streng kompositorischen Prinzipien einer musikalischen Tradition folge, sondern Komposition immer zunächst als Gestaltung verstehe, wie sie auch im bildnerischen Bereich anzutreffen ist. Für meine Arbeiten würde ich daher eine klare Trennung zwischen bildnerischer und musikalischer Arbeit ablehnen. Von meiner Ausbildung her komme ich natürlich eher aus der bildenden Kunst.

B.B.: Installationen weisen ein neues Verhältnis von Raum und Zeit auf, da beispielsweise in der Klanginstallation der Raum in zeitlich bewegten Klang transformiert wird. Ähnliches kann man für die Videoinstallation beschreiben, in der Bild, Raum, Zeit und Bewegung eine neue Beziehung miteinander eingehen. Haben Sie selbst diese jeweiligen Beziehungen vorstrukturiert oder überlassen sie es dem Zufall, wie sich in der konkreten Rezeption dieses Verhältnis je neu formiert?

A.K.: Keines meiner Werke fußt auf einer durchgehenden, klaren Planung. Vielmehr lasse ich mich jeweils von den Räumlichkeiten inspirieren, d.h. von den Angeboten, die der konkrete Raum macht. Ich entwickle also meine Arbeiten endgültig erst im jeweiligen Raum. Dementsprechend ist die Beziehung zwischen Raum, Zeit und Bewegung für mich nicht im voraus determinierbar.

B.B.: Installationen sind wohl generell dadurch gekennzeichnet, daß in ihnen der Raum kein bloßer Rahmen für die Präsentation ist, sondern daß der Raum selbst Moment der Installation ist, d.h. zum künstlerischen Parameter wird. Sie beschrieben bereits, daß Sie sich vom jeweiligen Raum inspirieren lassen bei der Umsetzung Ihrer künstlerischen Ideen, daß dem Raum gewissermaßen die Funktion eines Katalysators bei der Konkretisierung Ihrer Ideen zukommt. Wie läßt sich die Bedeutung des Raumes für die Realisierung ihrer künstlerischen Idee charakterisieren, inwieweit beeinflußt er den Werdegang, der romantisierend als der Prozeß von der Idee zum Werk beschrieben wird?

A.K.: Die Motivation für eine Arbeit ist zumeist bereits da, in Form von künstlerischen Wunschvorstellungen, vagen Ideen. Diese Ideen werden jedoch durch den jeweiligen Raum sehr stark beeinflusst, einmal dadurch, daß der Raum bestimmte Beschränkungen bei der Realisierung der Ideen auferlegt, andererseits, weil er selbst bestimmte Angebote macht, auf die man als Künstlerin reagiert und die zu Veränderungen, Konkretisierungen, Umdeutungen der bereits vorhandenen Intentionen führen. Der Raum ist insofern eine Art Pointierung für die strukturale Gestaltung: Zum Beispiel hat die Klangarbeit hier in der St. Petri Kirche bestimmte räumliche Voraussetzungen impliziert, die zu gestalterischen Entscheidungen führten. Die Lautsprecher konnten aufgrund der Räumlichkeit nur an zwei Stellen aufgehängt werden. Daraus folgte, daß die acht Lautsprecher an einer Stange befestigt werden mußten – die ästhetische Gestaltung der Installation hatte also hier eine bestimmte Richtung erfahren. Man kann generalisierend sagen, daß der Raum der Fokus ist, der einer Arbeit ihre konkrete Gestalt verleiht. Ihm entsprechend werden die künstlerischen Ideen präzisiert.

B.B.: Die konkrete Raumerfahrung hier in der Kirche St. Petri hat sich also auf Ihre Klang-Arbeit ausgewirkt. Traf dies auch für die Videoarbeiten zu?

A.K.: Ja! Zum Beispiel habe ich mich bei meinen Videoarbeit von den Sockeln an den Seitenwänden hier in St. Petri dazu anregen lassen, kleine intime Arbeiten an diesen Sockeln zu positionieren, nicht zuletzt auch, um ein Gegengewicht zu der überwältigenden Größe des Kirchenraumes zu setzen. Auch die Lautsprecher sind eigentlich extrem kleine Lautsprecher, um das Intime gegenüber dem Allgegenwärtigen, Großen zum Ausdruck zu bringen. Ich kann nur wiederholen: Es ist eigentlich immer so, daß sich erst bei der unmittelbaren Konfrontation mit den konkrekten Räumlichkeiten die Bilder, die ich zuvor über meine Arbeit im Kopf habe, eine Gestalt annehmen, die an den jeweiligen Raum angepaßt ist.

B.B.: Helga de la Motte-Haber nimmt gerade bezugnehmend auf die Klanginstallationen eine Differenzierung zwischen Realraum und Hörraum vor. Dabei unterstreicht sie, daß die Raumerfahrung verändert wird durch die Art, wie Klänge im Raum positioniert sind. Hörraum und Realraum treten in ein Spannungsverhältnis zueinander, das zu einer neuen Wahrnehmung der jeweiligen Räumlichkeit führt. Bei Ihrer Installation ist dies ganz deutlich spürbar, weil der–durch die geringe Größe der Lautsprecher bedingt-räumlich begrenzte Klangraum in eine deutlich spürbare Spannung zur gewaltigen Eingangshalle tritt. Ist dies bewußt intendiert?

A.K.: Für meine Arbeiten ist allein der Klang im Raum nicht so entscheidend. Mir sind die zeichnerische und plastische Beschaffenheit der Klangquelle ebenso wichtig wie die Töne, die sie verströmt. Dabei stehen die Klänge nicht für sich, sie haben erzählerische Momente.

B.B.: Bill Viola hat zu dem Stück „Deserts“ von Edgar Varèse ein Video gemacht, das eine sehr enge, manchmal gar kitschig anmutende Beziehung von Bild und Ton darstellt. Problematisch ist aus meiner Sicht die Beziehung vor allem deshalb, weil wenig Spannung zwischen Musik und Video existiert – das Video dient vornehmlich der Untermalung der Musik und hat wenig eigene Ausdruckskraft. In welcher Beziehung stehen Klang und Bild in Ihrer Installation zueinander oder anders gefragt: Streben Sie überhaupt eine Beziehung an?

A.K.: Für mich ist das Verhältnis von Bild und Ton ein zentraler Punkt, insbesondere deren kontrapunktische Setzung. Für diese Arbeit hier war es beispielweise typisch, daß ich die große Videoprojektion an der Wand eher gehört als gesehen habe und daß bei der Klanginstallation die Klänge für mich auch Bilder oder Bildräume sind. Es ist also weniger ein Wechselspiel von Bild und Ton, das ich in meinen Arbeiten anstrebe, sondern vielmehr geht es mir darum, unterschiedliche Erfahrungsbreiche zu eröffnen. Meine Videobänder sind dementsprechend Seh- und Hörstücke, die Klanginstallation immer auch Skulptur und bildnerische Ausdrucksform.

B.B.: Installationen führen durch die Koppelung von akustischen und visuellen Medien häufig zu einer Überlagerung von Hör- und Sehraum. In Ihrer Installation haben Sie nun in der räumlichen Anordnung bewußt eine Trennung zwischen der Klanginstallation und den Videonarbeiten vorgenommen. Diese erfordert von den Betrachtern, selbst eine Beziehung zwischen den beiden Dimensionen durch das Erschließen des Raums herzustellen. Hängt dies mit den räumlichen Besonderheiten dieser Kirche zusammen oder ist es eine bewußte Trennung von Hör- und Sehraum, die Sie hier vorgenommen haben?

A.K.: Es handelt sich bei meiner Installation letztlich um mindestens zwei verschiedene Arbeiten, die auch zwei verschiedene Themen besetzen: die Klanginstallation und die Videoarbeit, wobei man bei letzterer soger von drei differenten Arbeiten sprechen könnte, weil es drei unterschiedliche Bänder sind. Es ist also eher eine Ausstellung verschiedener Arbeiten von mir , in denen meine Haltung und das, was ich sagen möchte, zum Ausdruck kommen. Der Betrachter soldementsprechend nichts verbinden, sondern etwas erleben.

B.B.: Könnte man, wenn man sich den Titel der Ausstellung „Berührungen“ unter dieser Perspektive nochmals vor Augen führt, sagen, daß es eben unterschiedliche Formen von Berührungen sind, denen sich die Besucher aussetzen können, d.h. visuelle und akustische Berührungen, die zu unterschiedlichen Erfahrungen führen?

A.K.: Ja.

B.B.: Installationen verlangen von den Rezipienten, daß sie sich auf neue Seh- und Hörweisen, oder genereller: auf neue Wahrnehmungsweisen einlassen. Die Besucher müssen selbst aktiv werden, weil Klang- und Bildraum eigenständig zu erkunden sind. Dabei spielt der Realraum eine entscheidene Rolle: Klang- und Bildraum treten zu diesem in eine spannungsreiche Beziehung und ermöglichen so auch neue Raumerfahrungen. Welche Rolle spielt dieses wechselverhältnis von Raum, Bild und Klang in ihren Arbeiten?

A.K.: Schon in meinen früheren Arbeiten spielte in meinen Videobändern der Klang eine zunehmend wichtigere Rolle, insofern ist die Beziehung von Bild und Ton schon seit langem für mich von Relevanz. Die später dann begonnenen Klangarbeiten haben mich zu der Überzeugung gebracht, daß die anfängliche Koppelung von Video und Klanginstallation nicht unbedingt nötig ist, da zum bereits existierenden „Raumbild“ (d.h. das Bild des realen Raumes) nicht unbedingt noch ein anderes Bild hinzugefügt werden muß, um bei einer Klangarbeit Bild und Ton weiterhin in Beziehung zueinander setzen zu können. Denn bei allen Installationen ist stets das Raumbild mit dem Klangraum in Beziehung gesetzt, so daß ohne zusätzliche Videoarbeiten das angestrebte Wechselspiel von Sehen und Hören stets gegeben ist.

B.B.: Klanginstallationen zeigen einen, gegenüber der traditionellen Musik anderen Zugang zum Klang auf, weil sie auf strenge kompositorische Festlegungen und Prinzipien bewußt verzichten. Entsprechend werden sie häufig mit ästhetischen Konzepten wie Offenheit, Vieldeutigkeit und Unbestimmtheit in Verbindung gebracht. Sind diese Begriffe auch für Ihre Arbeit kennzeichnend und würden Sie sich entsprechenden Traditionen in der Kunst zuordnen?

A.K.: Es ist immer schwierig, sich selbst einer Tradition zuzuordnen, aber es ist sicherlich so, daß neben anderen Künstlern vor allem auch Cage für mich ein wichtiger und anregender Künstler war, dessen Werk sicherlich mit diesen ästhetischen Konzepten in Verbindung gebracht werden kann. Cage hat für mich allerdings eher eine Vorbildfunktion hinsichtlich seiner Haltung gahabt, als daß ich direkt in seiner musikalischen Tradition stehen würde. Seine künstlerische Hinwendung zum Zufall und zur Offenheit hat mich jedoch nachhaltig beeinflußt, selbst wenn ich natürlich nicht unmittelbar seinen kompositorischen Arbeiten folge, da ich keine Komponistin bin.

B.B.: In der kompositorischen Tradition gab es in den fünfziger Jahren eine entscheidene Wende. Boulez mit seiner Idee des gelenkten Zufall und der lokalen Indisziplin, Stockhausen’s statistische Zufallsberechnungen, vor allem aber eben Cage’s Prinzip der Indeterminacy haben wesentlich dazu beigetragen, daß das Moment des Zufalls im Prozeß der Komposition, vor allem aber auch in der Aufführungssituation stärker berücksichtigt wurde und somit den Interpreten ein größerer Freiraum bei der Gestaltung und Aufführung eines Stücks eingeräumt wurde. Die Idee des offenen Kunstwerks ist aber auch in anderen Kunstgattungen von immer größerer Bedeutung geworden. Welche Rolle spielt der Zufall in Ihren Arbeiten?

A.K.: Der Zufall hat vor allem im Bereich der künstlerischen Produktion für mich eine wichtige Bedeutung. Dies betrifft vor allem die kontextuellen Bedingungen, denen ich ausgesetzt bin bei der Realisierung einer künstlerischen Idee. So kann mich zum Beispiel beeinflussen, ob ein Raum lichtdurchflutet ist oder nicht, wie meine Hände in einer konkreten Situation wirken, welche Geräusche auf mich einströmen. Es sind also konkrete Stimmungen eines Augenblicks, die meine Arbeit in diese oder jene Richtung lenken und Entscheidungen eher zufällig beeinflussen. Bei der Präsentation einer Installation spielt dagegen der Zufall kaum noch eine Rolle.

B.B.: Einer der wesentlichen Gründe dafür, daß sich komponisten oder Musiker dem Bereich der Klanginstallation zugewandt haben, lag darin, daß in der Installation die typische zeitliche Sequentialität der Aufführung durchbrochen wird, wie sie beispielsweise für die Konzertsituation typisch ist. Die Durchbrechung des Prinzips der Sequentialität ist auch im literarischen Bereich, etwa beim Nouveau Roman, von entscheidender ästhetischer Bedeutung gewesen. Spielt dies auch in ihren Arbeiten eine Rolle?

A.K.: Selbst wenn ich nicht direkt aus der musikalischen Tradition komme, war ich doch auch beim Videoband mit dem Prinzip der Sequentialität konfrontiert. Insofern war die Hinwendung zur Installation für mich auch durch das Interesse begründet, diese Sequentialität zu durchbrechen. Dies ist für mich in der Installation schon dadurch gegeben, daß man als Betrachter selbst auswählen kann, welchen Aspekt der Installation man wie und wann rezipiert, ob man sich Dinge wiederholt anhört oder anschaut etc. Die Besucher haben die Möglichkeit, zu kommen und zu gehen, je nach eigenem Belieben. Sie haben die Freiheit, sich auf je eigene Weise der künstlerischen Arbeit zu nähern und diese entsprechend ihren individuellen Vorlieben aufzunehmen. Dabei ist entscheidend, daß man sich körperlich im Raum bewegen kann und dabei der eigenen Befindlichkeit folgt und so die gleiche Installation auf höchst unterschiedliche Weise wahrzunehmen vermag.

B.B.: Das Verhältnis von Ordnung und Unordnung, von Geregeltem und Ungeregeltem, von Determination und Zufall spielt spätestens seit den 50er Jahren in der Musik, aber auch in der bildenden Kunst eine wichtige Rolle. Dabei gibt es höchst unterschiedliche Konzeptionen und Vorstellungen darüber, wie die Offenheit eines Werkes garantiert werden kann. Auf der einen Seite finden wir Positionen, denenzufolge allemal der Rahmen einer Arbeit abgesteckt werden sollte, innerhalb dessen sich – etwa bei der Musik – die Interpreten frei bewegen können; auf der anderen Seite existiert die Auffassung, daß gerade die Offenheit eines Werkes eine extreme Form der Vorstrukturierung seitens des Autors verlangt. So formuliert beispielsweise Butor: „Das offene Kunstwerk...erfordert einerseits eine äußerst strenge interne Architektur der Entwicklung und andererseits deren Durchbrechung, welche...auch strengstens konstruiert sein muß.“ Inwieweit spielt das Verhältnis von Determination und Indetermination für Ihre Arbeiten eine Rolle und wo würden sie sich selbst verorten?

A.K.: Das Ungeregelte verlangt im Produktionsprozess eine viel stärkere Vorabstrukturierung, als man dies primär glauben möchte. Deshalb habe ich mich persönlich darauf beschränkt, die jeweiligen Gestaltungsprinzipien eindeutig zu bestimmen und z.B. die Abläufe etwa der Klangfolgen klar festzulegen, jedoch durch die Präsentationssituation wieder ein Moment von Offenheit in die Installation hineinzutragen. Ich setze also etwas Geregeltes in einen offenen Kontext. Dieses Moment von Indetermination ist beispielsweise durch die Rezeptionssituation schon dadurch gewährleistet, daß die Besucher auf je unterschiedliche Weise, an unterschiedlichen Orten und zu unterschiedlichen Zeitpunkten die Installation besuchen können und so zu differenten Eindrücken kommen.

B.B.: Bei Ihrer Klangarbeit fällt auf, daß sich die Klangsequenz relativ rasch wiederholt. Ist es ein Kennzeichen Ihrer Arbeit, sich kurz zu fassen und verbirgt sich dahinter eine bestimmte ästhetische Idee?

A.K.: Für mich ist die Kürze entscheidend – ich würde mich diesbezüglich in die Tradition Weberns stellen, der zumeist auch nur kurze Passagen komponiert hat. Für mich ist in dieser Kürze schon alles gesagt, und ich vermeide auf diese Weise Redundanz.

B.B.: Könnte man dies so interpretieren, daß durch die Kürze und das Fragmentarische Ihrer Arbeiten eine Haltung bei den Betrachtern und Zuhörern evoziert wird, die eher Fragen aufwirft, als daß sie Antworten gibt, die allemal einen Raum möglicher Perspektiven eröffnet, diesen Raum aber bewußt offen hält, um die Rezipienten fragend und unschlüssig zurückzulassen? Möchten Sie also mit Ihrer Ausstellung auf einen offenen Horizont, auf das Unbestimmte und Kontingente verweisen?

A.K.: Ja, so könnte man das sagen.
B.B.: Es fällt zudem auf, daß Ihre Arbeiten oft sehr sparsam sind, d.h. in ihrer Stille und Behutsamkeit in deutlichem Kontrast stehen zu vielen Arbeiten, die gegenwärtig gerade im Bereich der Medienkunst eher auf Effekte und Reize setzen. Man könnte nun die Vermutung hegen, daß dieser Kontrast bewußt intendiert ist, um eine neue Sensibilität für die leiblich-sinnliche Befindlichkeit hervorzurufen, um eine neue Wahrnehmung des eigenen Körpers im Raum zu ermöglichen.

A.K.: Seit den 70er Jahren ist der Kunst immer wieder eine weltverbessernde Haltung abverlangt worden. Dieser stehe ich eher skeptisch gegenüber. Denn ich möchte zwar mit meinen Installationen neue Erfahrungen ermöglichen, aber darüberhinausgehend verfolge ich nicht die Utopie, durch meine Arbeiten den Menschen zu irgendetwas Positivem verhelfen zu wollen. Jeder kann sich zwar der Möglichkeit aussetzen, durch meine Installationen neue Erlebnisse zu haben, aber es geht mit mehr darum, den Raum für konkrete Körpererfahrungen zu schaffen, als daß ich übergreifende politische Ziele verfolgen würde. Zudem ist Kunst für mich immer zunächst das Feld, wo ich – dies vielleicht etwas romantisierend gesagt – etwas von mir zum Ausdruck bringen möchte.

B.B.: Dies bringt uns zu der Frage nach der Autorenschaft, zur Frage nach der subjektiven Intention. Die Dekonstruktion des Subjekts ist gegenwärtig in aller Munde, wird inbesondere in der postmodernen Philosophie immer wieder betont. An diesen Diskurs anknüpfend wird gerade im Kontext der Medienkunst beispielsweise von Roy Ascott die Idee der künstlerischen Autorenschaft als antiquiertes Konstrukt attackiert und demgegenüber eine Auffassung formuliert, derzufolge Kunst im Miteinander verschiedener Personen, in der Interaktion höchst unterschiedlicher Disziplinen sich entwickelt. Wie sehen Sie sich denn selber vor diesem Hintergrund, konkret: betrachten Sie sich selbst als Autorin Ihres Werkes, was vermutbar ist, wenn Sie – wie gerade erwähnt – eine klare konzeptuelle Strukturierung ihrer jeweiligen Arbeit praktizieren, oder tritt ihre eigene Person in den Hintergrund, weil die jeweiligen Arbeiten eher in der Auseinandersetzung mit anderen Personen, mit den jeweiligen Kontexten und Umweltanforderungen entstehen und somit nicht primär auf ihre subjektiven künstlerischen Intentionen zurückzubeziehen sind?

A.K.: Ich denke, daß ich mich schon als Autorin des jeweiligen Werkes sehe. Damit verknüpft ist üblicherweise die an mich gestellte Frage, welches konkrete Ziel oder welche konkrete Aussage ich mit meiner jeweiligen Arbeit verbinde, bzw. ob das, was die jeweiligen Rezipienten in der Arbeit sehen, meinen eigenen Intentionen entspricht. Wenn ich dann antworte, daß unterschiedliche Sichtweisen auf eine Arbeit möglich sind, treffe ich nicht selten auf Verwirrung und Irritation. Die Gefahr, die mit einer solchen Haltung verbunden ist, liegt in einer ausufernden Beliebigkeit möglicher Interpretationen. Daher würde ich meine Aufgabe als Autorin einer Arbeit darin sehen, durch meine konzeptuellen Vorüberlegungen und die damit einhergehende Vorabstrukturierung den Rahmen potentieller Deutungen meiner Arbeit abzustecken und damit die Gefahr der Beliebigkeit einzuschränken. Innerhalb dieses Rahmens jedoch sind unterschiedliche Sichtweisen denkbar. Entscheidend ist dann nicht, ob eine Sichtweise richtig oder falsch ist, sondern daß die Betrachter oder Zuhörer überhaupt etwas spüren und erleben innerhalb des von mir vorgegebenen, gestalteten Raums.

B.B.: Kunst und Technologie sind insbesondere in der Tradition der Sozialphilosophie als disparate Gegenstandsbereiche betrachtet worden. Der Technik wurde die Funktion der Verallgemeinerung, der Verfügbarmachung und der Standardisierung zugesprochen, die Kunst galt im Gegensatz dazu als Ausdruck des Besonderen, Individuellen, als Moment des Widerständigen. Für die Medienkunst stellt sich die Frage nach diesem Verhältnis auf neue Weise, weil in ihr derartige Gegenüberstellungen nicht nur in Frage gestellt, sondern auch überwunden werden sollen. Kritische Stimme deuten jedoch auf die Gefahr hin, daß die impliziten Paradigmen der Technologie für die künstlerische Arbeit kontraproduktiv sein können, die Künstler daher in Distanz zu diesen latenten Maximen treten müssen. Sie selbst benutzen seit langem technische Mittel in Ihrer künstlerischen Arbeit. Wie empfinden Sie dieses oben angesprochene Spannungsverhältnis und welche Folgen hat dies für Ihre Arbeit?

A.K.: Ich bin sicherlich ein Kind des technologischen Zeitalters und habe insofern von klein auf keine Probleme mit der Nutzung von Technologie gehabt. Insofern habe ich mit der Anwendung von Technik in der Kunst kein Problem, weil ich keinen wesentlichen Unterschied zwischen der Nutzung von Pinsel und Ölfarbe oder der Nutzung einer Videokamera sehe. Für die künstlerische Arbeit ist das zunächst nicht wichtig. Gefahren gib es sicherlich dennoch in der Verbindung, weil Technologie bestimmte weltanschauliche Auffassungen impliziert, die man als Künstlerin nicht nur durchschauen muß, sondern von denen man sich distanzieren sollte. Man muß der Technologie gewissermaßen seine eigene Handschrift aufprägen, um Gefahren der Uniformität und des bloßen technischen Effekts zu entgehen. Diese Notwendigkeit der Durchbrechung impliziter weltanschaulicher Vorstellungen war aber auch bei anderen Techniken gegeben – Künstler mußten diese also seit jeher überwinden.

B.B.: Aktuelle Ausstellungen der Medienkunst zeichnen sich dadurch aus, daß die präsentierten Arbeiten immer häufiger interaktive Komponenten zeigen. Interaktivität scheint das neue Paradigma der Kunst zu werden, wobei das Ausmaß einer Einflußnahme durch die Besucher zumeist äußerst begrenzt ist. Ihre Arbeiten scheinen auf den ersten Blick keine interaktiven Momente aufzuzeigen. Nun könnte man die These vertreten, daß jede Installation – also auch ihre Arbeiten – schon deshalb in gewisser Weise interaktiv ist, weil die Besucher sich selbst innerhalb des vorgegebenen Rahmens ihr „Werk“ schaffen, indem sie die Räume auf je unterschiedliche Weise durchwandern und zu höchst differenten Eindrücken gelangen. Würden Sie den Begriff der Interaktivität auch in diesem Sinne verstehen, oder spielt die lebhafte Diskussion zur interaktiven Kunst für Sie momentan keine Rolle?

A.K.: Natürlich kann ich mich dieser Diskussion nicht entziehen und ich habe dementsprechend in einem anderen Kontext bereits eine interaktive Installation realisiert. Prinzipiell aber sehe ich die Interaktivität eines Kunstwerks im stets gegebenen Wechselspiel zwischen einem Werk und einem Betrachter begründet. Dazu bedarf es keiner Joysticks oder anderer, eher spielerischer Formen einer Einflußnahme. Das Sich-Bewegen im Raum ist möglicherweise eine wesentlichere Form von Interaktivität als eine „Interaktivität per Knopfdruck“. Dies ist jedoch für mich noch eine offene Frage, und man sollte die Diskussion an diesem Punkt noch intensiver führen.