Karl Bohrmann: Nachruf in: neue bildende kunst. Januar 1999.
"Karl Bohrmann Stilleben und Innenräume." Von Uta M. Reindl.

"Nur wer auf den Augen musikalisch ist, versteht meine Bilder." In der ihm eigenen, sanften wie treffsicheren Ironie appellierte der 1928 in Mannheim geborene Karl Bohrmann einmal an den Betrachter seiner Kunst. Aus der synästhetischen Forderung spricht auch die ungewöhnliche Doppelbegabung des 1998, kurz nach seinem siebzigsten Geburtstag in Köln verstorbenen Künstlers. Mit Karl Bohrmann verlor die Kunstwelt einen überaus bedeutenden Zeichner, Maler und Fotografen, zugleich einen bemerkenswerten Komponisten von Neuer Musik. Die enorme Schaffenskraft Karl Bohrmanns blieb fast bis zum Ende seines Lebens ungebrochen.
Subtilität und Klarheit, heitere Beschaulichkeit und tiefer Ernst prägen das zeichnerische, malerische und fotografische Œuvre von Karl Bohrmann, das wie die Musik von Zyklen und Variationen bestimmt ist und zwischen der Geometrisierung des Raumes sowie dessen totaler Auflösung auf faszinierende Weise oszilliert. Ausgesucht ist das Repertoire von Motiven, dessen Bohrmann sich höchst spielerisch bedient: ein Stuhl, ein Tisch, eine Lampe, ein Fenster, ein Gefäß, ein Raum, ein Haus, eine Leiter, ein Baum, ein Strand, das Meer, die Berge, und immer wieder eine Frauengestalt.
Plaziert in knapp definierte Umräume werden all seine Sujets am Ende zu Landschaften, zumal es letztlich innere Landschaften sind, um die es Bohrmann in seinen sehr zarten, gleichzeitig dezidiert gesetzten Bildwelten geht. Ähnlich verblüffend entfaltet sich eine Symbiose von Motiv und Bildgrund in den Collagen und Zeichnungen auf benutzten Papieren, wie Rechnungen, Briefen mit Zeichnungen, Zahlenkolonnen, Texten. Auf dem von Vergänglichkeit gezeichneten Bildgrund verwandeln sich die Figurationen oft auch zu Schriftzeichen. Der Reiz solcher Vorlagen bestand für Bohrmann stets darin, daß sie nicht für die Kunst gedacht waren.
Karl Bohrmann lebte unter anderem in München, Frankfurt, Düsseldorf, Amsterdam und Köln, war Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste und lehrte an der Städelschule in Frankfurt, er war Ehrengast der Villa Massimo und wurde international ausgezeichnet. Wichtig für sein Schaffen war die Herausgabe von Büchern mit seinen Zeichnungen und aphoristischen Schriften.