Die
Zeichnungen von Karl Bohrmann sind selbstverständlich. Sie nehmen
sich nicht wichtig, so deutlich sie auch vorgetragen und so klar sie gegeben
sind. Zu sehen sind vertraute, unspektakuläre Sachverhalte, die sich
wenigen Grundtypen zuordnen lassen. Teils entstehen größere
Folgen eines Motivs, die im Wiederholten die Autonomie des Gestus noch
intensivieren. Mit ein paar Strichen ist ein (menschenleeres) Zimmer skizziert,
eingezeichnet sind ein Fensterkreuz, die Flucht der Wände. Oder eine
Lampe ist als Dreieck unter einer Linie beschrieben. Ein Tisch mit einem
Stuhl, die Lampe darüber. Eine Figur steht als Vertikale im Raum,
in ein Rot gehüllt. Weiterhin sind Exteuriers mit Landschaftskürzeln
entstanden: einige Bäume, die sich wolkig aufbauschen; Drachen schweben
über dem Horizont; Brücken und Schiffe befinden sich frei im
Blatt. Bohrmanns Zeichnungen, Collagen, Malereien (wie auch die Fotografien,
die sich weitgehend auf Akte konzentrieren) liefern primäre Situationen,
die uns immer und überall umgeben. Das Alltägliche ist
die Regel. Was sie aus seiner Alltäglichkeit heraushebt, ist erst
die Weise der Vergegenwärtigung, hat Johannes Langner zu diesen
Arbeiten geschrieben (Kat. Freiburg 1988).
Bohrmann zeichnet summarisch, oft wie hingehaucht, wie beiläufig.
Er setzt die Striche, Linien mit Bleistift und bröseligen Ölkreiden
auf das meist kleinformatige Blatt; die Collagen bestehen aus farbigen
Papieren, teils noch mit vorgefundenen handschriftlichen Notizen und Riss-Spuren.
Ab Anfang der 1980er Jahre tritt die Malerei hinzu: In der Übersetzung
einzelner Zeichnungen auf rohen, nur mit Leim grundierten Nessel. Diese
freie und doch genaue Übertragung erfolgt indes mit zeitlichem Abstand
und teils erst nach Jahren. Die Dimensionen ändern sich ins Monumentale,
eine explizite unabsehbare Weite tritt hinzu. Die Landschaften entrücken,
werden zu ortlosen Erinnerungen.
Karl Bohrmann wurde 1928 in Mannheim geboren. Er hat an der Stuttgarter
Akademie bei Willi Baumeister studiert. Zunächst wird er mit Radierzyklen
bekannt; seit Mitte der 1950er Jahre finden Ausstellungen seiner Arbeiten
statt, mit seinen Zeichnungen wird er 1977 zur Kasseler documenta eingeladen.
1972-80 unterrichtet er an der Städelschule in Frankfurt. Anfang
der achtziger Jahre zieht er nach Amsterdam, lebt schließlich aber
mehr und mehr in Köln. Sein dortiges Wohnatelier schützte vor
der Unruhe der Straße: Kleinere weiße, fast leere Räume
schlossen, von einem engen Gang ausgehend, aneinander an, die Fenster
öffneten sich zu einem kleinen Innenhof hin. Mehrere Stapel mit Zeichnungen,
die zur Durchsicht bereitlagen. Ein Schreibtisch am Fenster zum Zeichnen...
Im Nachruf auf Karl Bohrmann, der im Dezember 1998 verstorben ist, schreibt
Amine Haase, wie kaum einem anderen gelang es Bohrmann, seine Bilder
sich in die Lüfte erheben zu lassen. Er nahm den Gegenständen
ihre Erdenschwere (Kölner Stadt-Anzeiger 22.12.1998).
Das Stadium erreichen, bevor ein Bild Bild, eine Zeichnung Zeichnung,
ein Foto Foto, bevor die Lust Beruf wird, hat Bohrmann selbst in
seinen Notizen 1972-1986 vermerkt (Frankfurt/M. 1988, S. 58).
Seine Arbeiten heben jede Begrenztheit von Raum und zeitlicher Gebundenheit
auf. Zu sehen sind Ertastungen der Wahrnehmung, vermittelnd zwischen äußerem
Sehen und innerer Bewusstheit. Denkbar fragil und in sich gefestigt, haben
diese Vergewisserungen etwas Grundsätzliches, Notwendiges.
Galerie
Gabriele Rivet, Jülicher Str. 27, 50674 Köln, Tel. 319254, bis
16. Dezember, Di-Fr 14-18, Sa 11-18 Uhr
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