Karl Bohrmann: Portrait in: Choices, November, 18. Jhg, S. 54.
"Karl Bohrmann." Von Thomas Hirsch.

Die Zeichnungen von Karl Bohrmann sind selbstverständlich. Sie nehmen sich nicht wichtig, so deutlich sie auch vorgetragen und so klar sie gegeben sind. Zu sehen sind vertraute, unspektakuläre Sachverhalte, die sich wenigen Grundtypen zuordnen lassen. Teils entstehen größere Folgen eines Motivs, die im Wiederholten die Autonomie des Gestus noch intensivieren. Mit ein paar Strichen ist ein (menschenleeres) Zimmer skizziert, eingezeichnet sind ein Fensterkreuz, die Flucht der Wände. Oder eine Lampe ist als Dreieck unter einer Linie beschrieben. Ein Tisch mit einem Stuhl, die Lampe darüber. Eine Figur steht als Vertikale im Raum, in ein Rot gehüllt. Weiterhin sind Exteuriers mit Landschaftskürzeln entstanden: einige Bäume, die sich wolkig aufbauschen; Drachen schweben über dem Horizont; Brücken und Schiffe befinden sich frei im Blatt. Bohrmanns Zeichnungen, Collagen, Malereien (wie auch die Fotografien, die sich weitgehend auf Akte konzentrieren) liefern primäre Situationen, die uns immer und überall umgeben. „Das Alltägliche ist die Regel. Was sie aus seiner Alltäglichkeit heraushebt, ist erst die Weise der Vergegenwärtigung”, hat Johannes Langner zu diesen Arbeiten geschrieben (Kat. Freiburg 1988).

Bohrmann zeichnet summarisch, oft wie hingehaucht, wie beiläufig. Er setzt die Striche, Linien mit Bleistift und bröseligen Ölkreiden auf das meist kleinformatige Blatt; die Collagen bestehen aus farbigen Papieren, teils noch mit vorgefundenen handschriftlichen Notizen und Riss-Spuren. Ab Anfang der 1980er Jahre tritt die Malerei hinzu: In der Übersetzung einzelner Zeichnungen auf rohen, nur mit Leim grundierten Nessel. Diese freie und doch genaue Übertragung erfolgt indes mit zeitlichem Abstand und teils erst nach Jahren. Die Dimensionen ändern sich ins Monumentale, eine explizite unabsehbare Weite tritt hinzu. Die Landschaften entrücken, werden zu ortlosen Erinnerungen.

Karl Bohrmann wurde 1928 in Mannheim geboren. Er hat an der Stuttgarter Akademie bei Willi Baumeister studiert. Zunächst wird er mit Radierzyklen bekannt; seit Mitte der 1950er Jahre finden Ausstellungen seiner Arbeiten statt, mit seinen Zeichnungen wird er 1977 zur Kasseler documenta eingeladen. 1972-80 unterrichtet er an der Städelschule in Frankfurt. Anfang der achtziger Jahre zieht er nach Amsterdam, lebt schließlich aber mehr und mehr in Köln. Sein dortiges Wohnatelier schützte vor der Unruhe der Straße: Kleinere weiße, fast leere Räume schlossen, von einem engen Gang ausgehend, aneinander an, die Fenster öffneten sich zu einem kleinen Innenhof hin. Mehrere Stapel mit Zeichnungen, die zur Durchsicht bereitlagen. Ein Schreibtisch am Fenster zum Zeichnen... Im Nachruf auf Karl Bohrmann, der im Dezember 1998 verstorben ist, schreibt Amine Haase, „wie kaum einem anderen gelang es Bohrmann, seine Bilder sich in die Lüfte erheben zu lassen. Er nahm den Gegenständen ihre Erdenschwere” (Kölner Stadt-Anzeiger 22.12.1998). – „Das Stadium erreichen, bevor ein Bild Bild, eine Zeichnung Zeichnung, ein Foto Foto, bevor die Lust Beruf wird”, hat Bohrmann selbst in seinen „Notizen 1972-1986” vermerkt (Frankfurt/M. 1988, S. 58).

Seine Arbeiten heben jede Begrenztheit von Raum und zeitlicher Gebundenheit auf. Zu sehen sind Ertastungen der Wahrnehmung, vermittelnd zwischen äußerem Sehen und innerer Bewusstheit. Denkbar fragil und in sich gefestigt, haben diese Vergewisserungen etwas Grundsätzliches, Notwendiges.

Galerie Gabriele Rivet, Jülicher Str. 27, 50674 Köln, Tel. 319254, bis 16. Dezember, Di-Fr 14-18, Sa 11-18 Uhr