Karl
Bohrmann macht nicht viel Aufhebens um sich. Den ganzen lärmenden
Kunstbetrieb und das Interesse an seiner Person nimmt er aufmerksam, aber
doch lieber aus der Distanz zur Kenntnis. Ausstellungen sieht er sich
lieber erst an, wenn die Eröffnung vorbei ist und nimmt auf
diese Weise am Kölner Kunstgeschehen teil.
Bohrmanns Erfolg, die vielen Ausstellungen, die schon seit Jahren dicht
aufeinanderfolgen, erstaunt freudig um so mehr, als seiner Kunst
alles Zeitgeistige fremd ist. Sie kommt mit großer Selbstverständlichkeit,
geradezu lapidar und meist im kleinen Format daher. Sparsame Zeichen,
Informationen des Vertrauten, flüchtig hingeworfen oder mit kruden
Strichen notiert, tatsächlich bedacht und von großer Intensität.
Die Leichtigkeit sollte bleiben, darf nicht verloren gehen, oder sie muß
wiedergewonnen werden, das Beiläufige ist das Wesentliche.
Karl Bohrmann, der als Radierer, Photograph und Maler, vor allem aber
(und das kontinuierlich bis heute) als Zeichner in Erscheinung getreten
ist, findet früh zu seiner Bildsprache. Diese geht von allgemeinen
Erfahrungen aus, ist aber ebenso von persönlichen Erlebnissen geprägt.
(So hat Karl Bohrmann einmal erzählt, daß das Motiv der Brücke
auf die Spaziergänge des kleinen Jungen über die Rheinbrücke
von Mannheim nach Ludwigshafen zurückgeht.) zu sehen sind, meist
im Format von DIN A4, Gegenstände der Zivilisation, des Behaustseins
in seiner Alltäglichkeit, ein Tisch, ein Stuhl, dahinter ein Fenster.
Mit wenigen Strichen ist ein Zimmer angedeutet, eine Raumecke oder eine
Tür; ein Dreieck bezeichnet eine Lampe. Eine Uhr an der Wand, brüchig,
lässig die Striche, welche für die Zeiger stehen. Daneben Aktzeichnungen,
Stilleben, Situationen der inneren Konzentration, nicht ohne Heiterkeit.
Gelegentlich benutzt Bohrmann gebrauchte Papiere, vielleicht befindet
sich schon Text von fremden Händen auf diesen, auch können die
Ränder gerissen sein. Überhaupt, die Collage ist seit
etlichen Jahren ein Medium von Karl Bohrmann. Er integriert Papierstücke,
farbige Zettel, und einzelne Arbeiten bestehen ausschließlich aus
collagierten Papieren. Dann wieder zeichnet Bohrmann mit farbigen Kreiden.
Aus dem Übereinander eines schwarzen Fleckens und roter Bahnen erwächst
eine weibliche Figur in Rückenansicht, eine horizontale Linie schafft
den Boden. Die Figur tritt dominierend im Vordergrund auf, auf einem anderen
Blatt irgendwo klein im Hintergrund. ... Zumal zu diesem Motiv hat Bohrmann
umfangreiche Folgen von Blättern erstellt Grundlage wiederum
für Buchveröffentlichungen.
Das Arbeiten, Variieren in Serien. deren Blätter unmittelbar nacheinander
entstehen. Karl Bohrmann geht es um Wiederholung, das Formale darf kein
Thema mehr sein, will man zum Eigentlichen vordringen. Mit wenigen Strichen
werden ganze Räume, wortlose Geschichten entworfen, die, auf der
Grundlage ein und desselben Repertoires, völlig unterschiedlich ausfallen
können. Konturhaft wird ein Haus umschrieben, daneben ein Baum, dieser
allein oder, in der Ausschließlichkeit des Motivs, zu mehreren.
In anderen Bildern sind Fallschirme, sodann Drachenflieger zu sehen, ein
Schiff vor einem dunkelblauen Himmel. Vor allem diese Darstellungen bilden
den Ausgangspunkt für die großformatigen Acrylgemälde
auf Leinwand, die Bohrmann im Laufe der Jahre erstellt hat. Der weiße,
nun tonige Hintergrund zwischen den Gegenständen spielt hier um so
mehr eine Rolle: ein Loslassen, Ausatmen in der Zeitlichkeit des Erfahrens.
"Es ist das sachte, sinnliche Berühren, Sichnähern, Insichaufnehmen
der Dinge, wonach ich verlange. Im Gegensatz zum Eindringenwollen, Greifen
nach Letztlichem, Endgültigen", hat Karl Bohrmann geschrieben.
"Mit allen Sinnen sich nähern, nicht mit dem Willen, langsam,
stetig." Karl Bohrmann hört auf die Zwischentöne, er lauscht
der Stille. Zu einem Gespräch im Atelier gehören die Pausen
zwischen den Sätzen.
Karl Bohrmann wurde 1928 in Mannheim geboren, 1972 bis 1980 hat er Aktzeichnen
an der Abendschule des Frankfurter Städel gelehrt. Lange Zeit mit
Atelier in Amsterdam, ist er mittlerweile in Köln ansässig,
wo er Ende Oktober seinen 70. Geburtstag feiern konnte: Begleitet von
mehreren Ausstellungen, bis Ende letzten Jahres in der Galerie Rivet in
Köln und davor im Frankfurter Kunstverein, sind seine Arbeiten derzeit
in Zürich, in der Galerie Pels-Leusden zu sehen.
Karl Bohrmann ist am 17. Dezember 1998 in Köln verstorben.
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