Karl Bohrmann: Portrait in: Kölner Skizzen, 21. Jahrgang, Heft 1/1999, S. 20-21.
"Räume der Stille. Über Karl Bohrmann." Von Thomas Hirsch.

Karl Bohrmann macht nicht viel Aufhebens um sich. Den ganzen lärmenden Kunstbetrieb und das Interesse an seiner Person nimmt er aufmerksam, aber doch lieber aus der Distanz zur Kenntnis. Ausstellungen sieht er sich lieber erst an, wenn die Eröffnung vorbei ist — und nimmt auf diese Weise am Kölner Kunstgeschehen teil.
Bohrmanns Erfolg, die vielen Ausstellungen, die schon seit Jahren dicht aufeinanderfolgen, erstaunt — freudig um so mehr, als seiner Kunst alles Zeitgeistige fremd ist. Sie kommt mit großer Selbstverständlichkeit, geradezu lapidar und meist im kleinen Format daher. Sparsame Zeichen, Informationen des Vertrauten, flüchtig hingeworfen oder mit kruden Strichen notiert, tatsächlich bedacht und von großer Intensität. Die Leichtigkeit sollte bleiben, darf nicht verloren gehen, oder sie muß wiedergewonnen werden, das Beiläufige ist das Wesentliche.
Karl Bohrmann, der als Radierer, Photograph und Maler, vor allem aber (und das kontinuierlich bis heute) als Zeichner in Erscheinung getreten ist, findet früh zu seiner Bildsprache. Diese geht von allgemeinen Erfahrungen aus, ist aber ebenso von persönlichen Erlebnissen geprägt. (So hat Karl Bohrmann einmal erzählt, daß das Motiv der Brücke auf die Spaziergänge des kleinen Jungen über die Rheinbrücke von Mannheim nach Ludwigshafen zurückgeht.) zu sehen sind, meist im Format von DIN A4, Gegenstände der Zivilisation, des Behaustseins in seiner Alltäglichkeit, ein Tisch, ein Stuhl, dahinter ein Fenster.
Mit wenigen Strichen ist ein Zimmer angedeutet, eine Raumecke oder eine Tür; ein Dreieck bezeichnet eine Lampe. Eine Uhr an der Wand, brüchig, lässig die Striche, welche für die Zeiger stehen. Daneben Aktzeichnungen, Stilleben, Situationen der inneren Konzentration, nicht ohne Heiterkeit. Gelegentlich benutzt Bohrmann gebrauchte Papiere, vielleicht befindet sich schon Text von fremden Händen auf diesen, auch können die Ränder gerissen sein. — Überhaupt, die Collage ist seit etlichen Jahren ein Medium von Karl Bohrmann. Er integriert Papierstücke, farbige Zettel, und einzelne Arbeiten bestehen ausschließlich aus collagierten Papieren. Dann wieder zeichnet Bohrmann mit farbigen Kreiden. Aus dem Übereinander eines schwarzen Fleckens und roter Bahnen erwächst eine weibliche Figur in Rückenansicht, eine horizontale Linie schafft den Boden. Die Figur tritt dominierend im Vordergrund auf, auf einem anderen Blatt irgendwo klein im Hintergrund. ... Zumal zu diesem Motiv hat Bohrmann umfangreiche Folgen von Blättern erstellt — Grundlage wiederum für Buchveröffentlichungen.
Das Arbeiten, Variieren in Serien. deren Blätter unmittelbar nacheinander entstehen. Karl Bohrmann geht es um Wiederholung, das Formale darf kein Thema mehr sein, will man zum Eigentlichen vordringen. Mit wenigen Strichen werden ganze Räume, wortlose Geschichten entworfen, die, auf der Grundlage ein und desselben Repertoires, völlig unterschiedlich ausfallen können. Konturhaft wird ein Haus umschrieben, daneben ein Baum, dieser allein oder, in der Ausschließlichkeit des Motivs, zu mehreren. In anderen Bildern sind Fallschirme, sodann Drachenflieger zu sehen, ein Schiff vor einem dunkelblauen Himmel. Vor allem diese Darstellungen bilden den Ausgangspunkt für die großformatigen Acrylgemälde auf Leinwand, die Bohrmann im Laufe der Jahre erstellt hat. Der weiße, nun tonige Hintergrund zwischen den Gegenständen spielt hier um so mehr eine Rolle: ein Loslassen, Ausatmen in der Zeitlichkeit des Erfahrens.
"Es ist das sachte, sinnliche Berühren, Sichnähern, Insichaufnehmen der Dinge, wonach ich verlange. Im Gegensatz zum Eindringenwollen, Greifen nach Letztlichem, Endgültigen", hat Karl Bohrmann geschrieben. "Mit allen Sinnen sich nähern, nicht mit dem Willen, langsam, stetig." Karl Bohrmann hört auf die Zwischentöne, er lauscht der Stille. Zu einem Gespräch im Atelier gehören die Pausen zwischen den Sätzen.
Karl Bohrmann wurde 1928 in Mannheim geboren, 1972 bis 1980 hat er Aktzeichnen an der Abendschule des Frankfurter Städel gelehrt. Lange Zeit mit Atelier in Amsterdam, ist er mittlerweile in Köln ansässig, wo er Ende Oktober seinen 70. Geburtstag feiern konnte: Begleitet von mehreren Ausstellungen, bis Ende letzten Jahres in der Galerie Rivet in Köln und davor im Frankfurter Kunstverein, sind seine Arbeiten derzeit in Zürich, in der Galerie Pels-Leusden zu sehen.
Karl Bohrmann ist am 17. Dezember 1998 in Köln verstorben.