Der
Zeichner und Maler Karl Bohrmann ist am 17. Dezember in Köln gestorben.
Bohrmann wurde siebzig Jahre alt. In seinen letzten Lebensjahren konnte
er, von einer Erkrankung behindert, nicht mehr an großen Leinwänden
malen, wie sie das Museum Schloß Moyland noch 1997 gezeigt hatte.
Seine unablässige Produktivität konzentrierte sich daher wiederum
auf Zeichnungen, die seit Jahren im Mittelpunkt seiner Arbeit standen
und sein eigentliches Hauptwerk bilden.
Der Schüler Willi Baumeisters erprobte die Abstraktion nur wenige
Jahre. Wie sich Sichtbarkeit mitteilen läßt, beschäftigte
ihn sein Leben lang. Nicht zeitgenössische Diskussionen lieferten
die Orientierung, sondern das Vorbild der großen Meister der Moderne:
Picasso, Giacommeti, Morandi. Beharrlich widmete sich Karl Bohrmann dem
großen, traditionellen Thema der Figur im Raum. Das Sehen ist dem
Begehren nah: Über Jahrzehnte zeichnete Bohrmann wieder und wieder
den weiblichen Akt. Er wollte seine Figuren zeichnen. Wie Morandi seine
Gefäße malte: so in den Raum gerückt, daß das innere
Bild erfüllt war.
Bohrmann lehrte in den siebziger Jahren Aktzeichnen an der Farnkfurter
Städelschule für die damalige Avantgarde eine unzeitgemäße
Beschäftigung, die ihm den Vorwurf des allzu "Privaten"
eintrug. Doch Bohrmann widerstand den Forderungen des Zeitgeistes. Er
zog sich 1980 von der Schule zurück. Der Künstler blieb ein
einzelner im Kunstbetrieb, der ihn gleichwohl in den achtziger und neunziger
Jahren mit einer Reihe von Einzelausstellungen würdigte, zuletzt
noch in diesem Jahr im Frankfurter Kunstverein. 1982 wurde Bohrmann Stipendiat
der Villa Romana, 1984 Ehrengast der Villa Massimo, 1984 Mitglied der
Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Sein Ruhm in einem
engeren Kreis von Sammlern gründete sich vor allem auf seine schönen
Bücher, etwa die "Briefe nach Wien" (Stuttgart 1998). Hier
wurde das Private öffentlich, um im Dialog mit dem einzelnen Betrachter
Intimität zurückzugewinnen.
Zeichnend beantwortete Bohrmann den scheinbaren Druck möglichst
spontan, ohne das etwas "dazwischengeriet". Zeichnend reagierte
er auch auf lange schon von fremder Hand Geschriebenes. Bohrmann liebte
gebrauchte Papiere, die bereits die Spuren anderer tragen, denen er Eigenes
wie beiläufig hinzufügte. Mit knappen, treffsicheren Strichen,
sparsamsten Mitteln, wenigen Farbakzenten in Rot oder Blau rufen seine
späten Zeichnungen Erinnerungsräume wach. Immer wieder richtet
sich der innere Blick auf die rot bekleidete Frauenfigur vor weitem Horizont,
auf Bäume, das Haus, Tisch und Stuhl, eine Wolke. Seine Zeichnungszyklen
umkreisen ein Thema, das der als Komponist dilettierende Bohrmann im Reichtum
der Variationen entfaltet.
Eine leise, doch in ihrer Unabhängigkeit starke Stimme wird in diesem
Oeuvre hörbar. Die besten Zeichnungen erfüllen das Ziel, das
Bohrmann sich setzte: "ein Bild, das blickt, durch die Zeiten hindurch".
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