Der
Künstler Karl Bohrmann erschien nie jünger als in seinen letzten
Jahren. Seinem Ideal einer guten Zeichnung war er radikal nahe gekommen.
Darüber dürfen nicht wenige gestaunt haben, die seine Ausstellung
in der Neuen Pinakothek im vergangenen Herbst sahen. "Befreiend leicht"
und "wie von selbst entstanden" wirkte an diesen Blättern
alles. In Hunderten von "Wiederholungen" beschwor der Künstler
immer nur eines: das Geheimnis der Erscheinung.
Schön in einem herkömmlichen Sinn waren diese Blätter nicht.
Alles an ihnen suggerierte Beiläufigkeit. Das Format war bescheiden,
die Linie schmucklos ruppig, minimal die Veränderungen. Aus der puren
Motorik eines Auf und Ab erwuchsen silhouettierte Erinnerungsbilder von
"Bäumen", in vieldeutig organisierten Räumen und in
unendlicher Folge "Akte" liegend, hockend, sich entkleidend.
Ohne Programm, ohne modischen Bedeutungsschwulst ereignete sich hier etwas
zwischen Sehen und Lesen. Zeichnen.
Karl Bohrmanns Kunst war immer leise. Unauffällig, einzelgängerisch
und jedenfalls gänzlich unabhängig von den Tagesaufgeregtheiten
der Szene ist dieser Maler, Zeichner und Photograph seiner Arbeit nachgegangen,
von einer größeren Öffentlichkeit wohl auch darum lange
nicht wahrgenommen. Noch in den sechziger Jahren kämpfte er ums blanke
Überleben. 1980 dann würdigte das Münchner Lenbachhaus
den Künstler mit einer großen Retrospektive seiner Papierarbeiten.
Sie lenkte den Blick auf den frühen Radierer, ließ mit spielerisch
sinnlichen Arbeiten einen Meister der Collage "Luststücke auf
der Pappbühne" aufführen und huldigte einem Zeichner, dessen
Sensibilität an Wols oder Cy Twombly erinnern konnte und der doch
anders suchte und fand. Gleich, ob er die Spuren flüchtig hingeworfener
Akte zog oder schwebender Landschaften, Bohrmann konnte mit einer Linie
Fülle wecken. Dem Kunstvollen mißtraute er gründlich.
Er liebte das Vorläufige, das Unabgeschlossene, die offene Frage.
Daß ein Augenblick zeitlos wird, Bild wird, wünschte er sich
dennoch. In seinen besten Arbeiten ist ihm das mehr als anderen gelungen.
Karl Bohrmann, 1928 in Mannheim geboren, studierte 1948/48 bei Willi Baumeister
an der Stuttgarter Akademie. Er lebte in den sechziger Jahren in München,
wo Günther Franke ihn wiederholt ausstellte und später dann
Bernd Klüser. Er zog nach Frankfurt, als er Lehrer am Städel
wurde, lebte in Amsterdam und zuletzt in Köln.
1985 wurde der auch sonst mit einigen Preisen Ausgezeichnete in die Bayerische
Akademie der Schönen Künste aufgenommen. Da war er schon an
multipler Sklerose erkrankt. In den letzten Jahren auf den Rollstuhl angewiesen,
legte er, als wäre gerade jetzt alles Schwere von ihm abgefallen,
ein Arbeitstempo und eine Produktivität an den Tag, die alle, die
ihn kannten und er hatte viele Freunde erstaunen ließ.
Am 17. Dezember ist Karl Bohrmann in Köln gestorben.
|