Die
Ausstellung
Architektonische Formen
Der Berliner Architekt Philipp von Matt führt in fotografischen
Bildern die ambivalente Präsenz unbeugsam statischer Architekturen
vor, die sich zumindest wenn man sie in Tokio aus dem fahrenden
Wagen heraus fotografiert zu fragilen Vergänglichkeitsmustern
wandeln.
Die serielle Monotonie
von Eigenheimen stellt Peter Piller mit ehemals archivierten Luftaufnahmen
unter Beweis. Als fotografische und damit faktische Dokumente fingieren
sie unter Vermeidung aller sichtbaren Anzeichen menschlichen Lebens ihre
mutmaßliche Unverrückbarkeit . Doch auch die anonyme Heimwerker-
und Modellhaus-Ästhetik von Stefan Strunden, teilweise in
hochglänzendem Lack auf Pappe gemalt, bezeugt ihre Starre jenseits
von Bewohnbarkeit und architektonischer Logik.
Mit einer plastischen Idee sich in Raum und Zeit eine Stelle bauen
Vermeintlich stabile Orte schafft Horst Münch mit hermetischen
Körpern, die irritierende Hohlräume bergen . Zwischen fiktivem
und realem Albtraum bewegen sich auch die Spukhäuser
von Katharina Jahnke. Sie thematisiert Behausungen der Störung,
die ihre eigentliche Funktion als Schutzraum längst verloren haben.
Behausungen der Seele, archaische Ur-Formen, die in ihrem anthropomorphen
Wuchs wie Geburten längst vergessener Prototypen erschienen, zeigt
Leiko Ikemura.
In der Spannung von Betretbarkeit und Unbetretbarkeit legt Boaz Kaizman
mit Wand- und Bodenplatten sein subtil-begriffliches Spiel mit undurchlässigen
Zu- und Eingängen und zeichnet damit Varianten von Räumen im
Zeichen der Fläche.
Eine Tür von Gregor Schneider hingegen, als einzelnes Objekt
und losgelöst vom total isolierten Raum, irritiert als
Ur-Bild hermetischer Verschlossenheit. Auch die funktionslosen
Markisen-Objekte von Rita McBride behaupten in absurd-surrealer
Würde ihre vor allem ästhetische Präsenz.
Projektionen vom gemütlichen Heim
bebildert Pjotr Dluzniewski in minutiös-süßlicher
Idylle mit ironischem Unterton. Katharina van Hoffs streift mit
ihrer kargen Bildsprache in zarten Pastelltönen auf hartweißem
Grund Fernweh-Allüren zwischen Heim und Herd. In bukolischer Idylle
und jenseits von zeitlich-perspektivischer Logik zeichnet Leif Trenkler
Bilder von Häusern, eingebettet in schier endlose Landschaftsfolien.
Wie Felsen in der Brandung behaupten sich dagegen die gezeichneten Häuser
von Karl Bohrmann als fragile und dennoch unverrückbare Seelengerüste.
Das Interieur als geistig-seelischer Lebensraum
Ulrike Nattermüller ermittelt in ihren Interieur-Bildern das
seltsame Miteinander von Figur, Gegenstand und Ornament. Anhand perspektivischer
Verzerrungen und plakativer Flächigkeit verwandelt sich dabei Lebensraum
in ein schablonenhaftes Vakuum der Bewegungslosigkeit. Im Gegensatz dazu
verweist die äußerst plastische, doch sehr verwegene Räumlichkeit
von Peter Sutter in seinem bemalten Relief-Bild Mein Zimmer
auf die höchst private und damit umgekehrte Perspektive
der eigenen Wahrnehmung. Aus seiner speziellen Sicht und Position als
Maler heraus, nämlich liegend im eigenen Bett, lässt er Mobiliar
und Gegenstände auf surreale Weise kippen. Sumi Maros flächige
Haus-Schablonen beherbergen bemalte Relief-Bilder von Innenräumen
und kopierten Madonnenbilden. Seine Bildkonstruktionen schwanken dabei
auf subtile Weise zwischen dem Heiligen und dem Profanen und markieren
die Position des Künstlers zwischen Dilettantismus und Perfektion.
Grenzmarkierungen zwischen Fiktion und Wirklichkeit.
Der chilenische Videokünstler Edgar Endress thematisiert mit
einer aufwendigen Film- und Video-Installation den aktuellen Vorfall eines
von chilenischen Grenzposten erschossenen, illegalen Einwanderers an der
Grenze zu Peru. Endress konfrontiert zeitfixierte Bilder (aus chilenischen
Fernsehkanälen, die über den Fall berichteten) mit zeiterhabenen
Aufnahmen von Grenzen, Menschen und markierten Territorien, und lässt
damit die vermeintlich konkrete Nachricht zum eingefrorenen Stillbild
werden. Mit dieser im Titel schon angesprochenen Fiktionalisierung
der Wahrheit wird der Versuch unternommen nicht nur die Identität
das illegalen Einwanderers, sondern auch die des Betrachters auf abstraktem
Wege zu markieren.
Ulrike
Jagla-Blankenburg.
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