HÜLLE UND IDYLLE (28.10. -18.12.2004)
kuratiert von Ulrke Jagla-Blankenburg.

Die Ausstellung


Architektonische Formen

Der Berliner Architekt Philipp von Matt führt in fotografischen Bildern die ambivalente Präsenz unbeugsam statischer Architekturen vor, die sich – zumindest wenn man sie in Tokio aus dem fahrenden Wagen heraus fotografiert – zu fragilen Vergänglichkeitsmustern wandeln.

Die serielle Monotonie
von Eigenheimen stellt Peter Piller mit ehemals archivierten Luftaufnahmen unter Beweis. Als fotografische und damit faktische Dokumente fingieren sie unter Vermeidung aller sichtbaren Anzeichen menschlichen Lebens ihre mutmaßliche Unverrückbarkeit . Doch auch die anonyme Heimwerker- und Modellhaus-Ästhetik von Stefan Strunden, teilweise in hochglänzendem Lack auf Pappe gemalt, bezeugt ihre Starre jenseits von Bewohnbarkeit und architektonischer Logik.

Mit einer plastischen Idee sich in Raum und Zeit eine Stelle bauen
Vermeintlich stabile Orte schafft Horst Münch mit hermetischen Körpern, die irritierende Hohlräume bergen . Zwischen fiktivem und realem Albtraum bewegen sich auch die „Spukhäuser“ von Katharina Jahnke. Sie thematisiert Behausungen der Störung, die ihre eigentliche Funktion als Schutzraum längst verloren haben.
Behausungen der Seele, archaische Ur-Formen, die in ihrem anthropomorphen Wuchs wie Geburten längst vergessener Prototypen erschienen, zeigt Leiko Ikemura.
In der Spannung von Betretbarkeit und Unbetretbarkeit legt Boaz Kaizman mit Wand- und Bodenplatten sein subtil-begriffliches Spiel mit undurchlässigen Zu- und Eingängen und zeichnet damit Varianten von Räumen im Zeichen der Fläche.
Eine Tür von Gregor Schneider hingegen, als einzelnes Objekt und losgelöst vom „total isolierten Raum“, irritiert als „Ur-Bild“ hermetischer Verschlossenheit. Auch die funktionslosen Markisen-Objekte von Rita McBride behaupten in absurd-surrealer Würde ihre vor allem ästhetische Präsenz.

Projektionen vom „gemütlichen Heim“

bebildert Pjotr Dluzniewski in minutiös-süßlicher Idylle mit ironischem Unterton. Katharina van Hoffs streift mit ihrer kargen Bildsprache in zarten Pastelltönen auf hartweißem Grund Fernweh-Allüren zwischen Heim und Herd. In bukolischer Idylle und jenseits von zeitlich-perspektivischer Logik zeichnet Leif Trenkler Bilder von Häusern, eingebettet in schier endlose Landschaftsfolien. Wie Felsen in der Brandung behaupten sich dagegen die gezeichneten Häuser von Karl Bohrmann als fragile und dennoch unverrückbare Seelengerüste.

Das Interieur als geistig-seelischer Lebensraum
Ulrike Nattermüller ermittelt in ihren Interieur-Bildern das seltsame Miteinander von Figur, Gegenstand und Ornament. Anhand perspektivischer Verzerrungen und plakativer Flächigkeit verwandelt sich dabei Lebensraum in ein schablonenhaftes Vakuum der Bewegungslosigkeit. Im Gegensatz dazu verweist die äußerst plastische, doch sehr verwegene Räumlichkeit von Peter Sutter in seinem bemalten Relief-Bild „Mein Zimmer“ auf die höchst private und damit „umgekehrte Perspektive“ der eigenen Wahrnehmung. Aus seiner speziellen Sicht und Position als Maler heraus, nämlich liegend im eigenen Bett, lässt er Mobiliar und Gegenstände auf surreale Weise kippen. Sumi Maros flächige Haus-Schablonen „beherbergen“ bemalte Relief-Bilder von Innenräumen und kopierten Madonnenbilden. Seine Bildkonstruktionen schwanken dabei auf subtile Weise zwischen dem Heiligen und dem Profanen und markieren die Position des Künstlers zwischen Dilettantismus und Perfektion.

Grenzmarkierungen zwischen Fiktion und Wirklichkeit.
Der chilenische Videokünstler Edgar Endress thematisiert mit einer aufwendigen Film- und Video-Installation den aktuellen Vorfall eines von chilenischen Grenzposten erschossenen, illegalen Einwanderers an der Grenze zu Peru. Endress konfrontiert zeitfixierte Bilder (aus chilenischen Fernsehkanälen, die über den Fall berichteten) mit zeiterhabenen Aufnahmen von Grenzen, Menschen und markierten Territorien, und lässt damit die vermeintlich konkrete Nachricht zum eingefrorenen Stillbild werden. Mit dieser im Titel schon angesprochenen „Fiktionalisierung der Wahrheit“ wird der Versuch unternommen nicht nur die Identität das illegalen Einwanderers, sondern auch die des Betrachters auf abstraktem Wege zu markieren.

Ulrike Jagla-Blankenburg.