Zu
Lande und in der Luft. Karl Bohrmann stellt in der Galerie Gabriele Rivet
aus.
Die Horizontlinie, das Schiff, die Schraffur am Haus werden zu Chiffren
existenzieller Erfahrung.
Von Dorothea Breit
Die Kate oder ein Mensch in weiter öder Landschaft das sind
vertraute Motive in Karl Bohrmanns lyrischem Zeichenwerk. Auch die Bäume,
einzeln oder in kleinen Gruppen. Man fragt nicht, warum der Künstler
sie hier mit leuchtend roter Fettkreide gezeichnet hat. Sie sind einfach
da, fast aufreizend vielsagend in diesem schönen Rot und dennoch
verschwiegen. Und selbst wenn man sie zum ersten Mal sieht, die kleinen
Schiffe, geformt aus ein paar Strichen schwarzer Fettkreide auf einer
waagerechten schwarzen Linie im weiten Horizont eines postkartengroßen
Blattes, sind sie einem nicht fremd. Ein anderes Schiff tuckert fern auf
einer helltürkisfarbenen Schraffur vom linken zum rechten Bildrand,
wo je ein weißes Haus das Ufer markiert. Wie eine Schaukel schwingen
vom oberen Bildrand zeltförmig zwei parallele schwarze Linien, aus
dem Schlot des Dampfschiffs weht rußiges Schwarz in den Himmel.
Die Galerie Gabriele Rivet zeigt Werke aus den letzten Lebensjahren von
Karl Bohrmann. Der 1928 in Mannheim geborene Zeichner und Radierer wäre
am 29. Oktober 75 Jahre alt geworden. Zu Lande, zu Wasser und in
der Luft lautet der poetische Titel der Gedächtnisausstellung;
er erfasst treffend das Atmosphärische und Vieldeutige in Bohrmanns
Arbeiten. Kurz vor seinem Tod entstand eine Serie farbiger Alpenlandschaften,
gezeichnet auf vergilbten Blättern eines alten Briefwechsels nach
Wien.
Kindlich-fröhlich muten die Berge in sommerlich warmen, gelben, rosa
und grünen losen Strichen mit Fettkreide an, hellblau der See im
Vordergrund. Die Farben verblüffen schon ein wenig, denn Bohrmann
hatte sie bis dahin wie alle Zeichen stets sparsam und verhalten eingesetzt.
Mit ganz wenigen Mitteln gelang es ihm, atmosphärische Dichte, Intensität
und Farbigkeit zu erzeugen. So eröffnet eine einfache weiße
Fläche auf baumwollfarbener Leinwand einen schier unendlichen Raum
über einem heimeligen Bauernhof vor braunen Hügeln und
bezeichnet dennoch nur die Leinwand.
Das Motiv in Andeutungen zu vergegenwärtigen und zugleich die Eigendynamik
des Arbeitsprozesses erlebbar zu machen, das ist Bohrmanns Kunst. Das
Ineinander von Wahrnehmung und Vorstellung, von Realität und Fiktion
sichtbar zu machen. Aus subjektiver Perspektive hat Bohrmann viele zeitlose
Augenblicke des Lebens eingefangen, die Momente universaler existenzieller
Erfahrung sind. Eine Linie am Horizont, ein Schiff auf offenem Meer, eine
Schraffur am Haus, ein Gekritzel im Baum bieten dem Auge und der Fantasie
Ankerpunkte im weiten Raum der Zeichenfläche. Oder im Blick der kleinen
roten Figur mit schwarzem Haarschopf ins Nirgendwo, auf der Suche nach
dem Mann am Meer.
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