Hentie van der Merwe
Beate Eickhoff. "Fragen nach dem Wesentlichen. Karos an allen Wänden: Hentie van der Merwe in der Galerie Rivet. Der Künstler arbeitet mit Symbolen, deren Aussagekraft zwiespältig ist".
Ausstellungsbesprechung in: Kölner Stadt Anzeiger vom 7./8. Juni 2003
Das Auge im oberen Teil der Galerie wird reichlich strapaziert. Flimmerndes rot-weißes Karomuster bedeckt die Wände vom Fußboden bis zur Decke. Der Dielenboden und die weißgestrichene Holztür bewirken kurzfristig das Gefühl, in volkstümelnde Gemütlichkeit geraten zu sein - doch wirkt dieses überdimensionale Karo einfach körperlich irritierend. Auf der Tapete befinden sich Bilder, deren Grund das Karo wiederholt, deren Figuren - Bundesadler, russischer oder amerikanischer – aus ebendiesem Karo bestehen, versetzt zum Karo-Grund und dadurch als Silhouette erkennbar.
Hentie van der Merwe, aus Namibia stammend und zur Zeit in den Niederlanden arbeitend, beschäftigt sich einerseits mit bekannten Stoffmustern, andererseits mit Insignien, seien es militärische, seien es Firmenmarkenzeichen. Die Zusammenführung von Emblem und Stoffdesign ergibt Symbole, die in ihrer Aussagekraft zwiespältig sind, die zwischen Verharmlosung und Aktualisierung schwanken. Puma, Jaguar und Krokodil, ebenfalls ins Karo gedrängt. dienen nun nicht mehr als Markenzeichen. Ihr Bekanntheitsgrad bewirkt zwar, dass sie immer noch als Erkennungszeichen funktionieren, nur, was soll erkannt werden?
Das Redesign bedeutet einen Verlust an Kraft durch die Einkleidung in gewöhnliche, private und häusliche Muster, eine Entindividualisierung und Einebnung in allgemeinste bürgerliche Strukturen. Geadelt wird die freigelegte äußere Form der Embleme hier wiederum durch den Kontext Kunst. Doch ergibt sich mit der Entkleidung der Funktion im Übergang von einer Konvention zur anderen auch eine Radikalisierung.
Das Signal wirkt erneut und in der Camouflage friedlichen Bürgerdesigns jetzt nicht eindeutig sondern irritierend. In der Harmlosigkeit offenbart sich nun die eigentliche Gewalt von Puma, Jaguar oder Adler.
Camouflage oder Hahnentritt, an anderen Stellen in der Galerie in großen Bahnen aufgespannt haben ebenfalls etwas vom Reiz der Op Art. So aus dem Kontext genommen, entfaltet die formale Gestaltung ähnlich den Emblemen eine ursprüngliche Wirkung. Nämlich jene, die ausschlaggebend ist, damit eine bestimmte Gesellschaftsschicht sich auf das Stoffmuster einigt. Die Fotoserie „Selbstporträt mit rotem Mund“ zeigt, nimmt man Kleidung als Außenhaut, die Innenhaut des Menschen. Der Mund mit Lippenstift verschmiert, Grimassen schneidend oder verwackelt lenken von der hilflosen Offenheit ab, verdecken, als wären sie Kleidung, das neutrale, verwundbare Innere.
Im Gegensatz dazu zeigt sich in einer weiteren Fotografie der Künstler nun geschützt mit Karohemd - ein Design als Freizeit – Muster nicht unbesetzt und zugleich rein gestalterisch attraktiv. Im Zusammenhang der Ausstellung wird so die Frage gestellt: legt die Kunst offen, schafft sie es, Wesentliches zu verbergen, oder wird Wesentliches präsent, indem es verborgen wird?