"Arche Noah " (24.01. - 10.03.2003) In: Kölner Stadt-Anzeiger vom 21. Februar 2003

„Visionäre Anstöße. ‚Arche Noah’ in der Galerie Gabriele Rivet.“ Die Gruppenausstellung zeigt, dass die biblische Geschichte eine aktuelle Herausforderung darstellt. Von U. Jagla-Blankenburg .

Nicht nur in Zeiten kulturpolitischer Nöte ist das Thema „Arche Noah“ von aktueller Brisanz. Eine Galerie unter diesem Ausstellungsthema für über einen Monat als Schutzraum oder Rettungsstätte zu deklarieren, erweist sich fast als aktionistische Geste. Ob diese nun ironisch oder doch eher Sinne der Zusammenführung verschiedener künstlerischer Positionen zu verstehen ist, mag der Besucher selbst entscheiden. Die ausgedehnte Gruppenausstellung unter dem Titel „Arche Noah“ in der Galerie Gabriele Rivet präsentiert eine stattliche Anzahl junger und alter Kunst, von neuesten Videoinstallationen bis hin zu frühchristlichen, koptischen Stofffragmenten des 4. Jahrhunderts. Die Galeristin holte sich über 50 KünstlerInnen „ins Boot“. Dabei wimmelt es nur so von verschiedenen Stilepochen, Gattungen und thematischen Ansätzen zu diesem Motiv.
Umfangsreiche Themenausstellungen sind für Gabriele Rivet kein neues Terrain. Auch mit ihrer Gruppenschau „ Formen der Gewalt“ vor einem Jahr bewies sie ein engagiertes Interesse für die Reflexion gesellschaftskritischer Themen im künstlerischen Diskurs. Offenkundig bietet die Geschichte Noahs auch, oder gerade, heute eine Bandbreite von aktuellen Interpretationsaspekten an. Nicht nur, dass die biblische Erzählung von der größten aller Katastrophen, der Sintflut, vom Leben und Überleben und dem Neubeginn der Menschheit berichtet, auch die Motive des Untergangs mischen sich mit bildlichen Symbolen des Lebens. Die Arche als Schutzraum, die Taube mit dem Ölzweig als Friedensbild oder der Regenbogen als Zeichen des Bundes und Unterpfand der Welterhaltung – Katastrophe und Rettung werden hier gleichermaßen thematisiert.
Welche Herausforderung Künstler heute in der Noah-Geschichte sehen, wie sie diese interpretieren – ob theologisch oder weltpolitisch, gesellschaftskritisch oder individuell, ernsthaft oder mit Humor – dazu bietet die Ausstellung eine Reihe von Antworten an. Auf die Grundfesten der seelischen Existenz weist ein Beuys-Zitat (von 1984) in einer Collage von Walter Dahn, wo es heißt: Es muss nichts gerettet werden. Im Grunde muss gar nichts gerettet werden. Das Einzige, was gerettet werden muss, ist die menschliche Seele.“ Weniger abgewandt von allem weltlichen Sicherheitsstreben thematisiert eine transparent installierte Videoprojektion von Anna Anders die ungesicherte Schwelle von Innen- und Außenraum durch das Motiv des Eintretens in unbekannte Gehäuse. Auch das anziehende Chaos von sich verselbständigenden Schlingen und Schlieren in einer Fotoarbeit von Karin Hochstatter lässt Vermutungen zu einer außer Kraft getretenen Dynamik zu.
Tierisches – in der biblischen Erzählung Repräsentanz aller Gattungen – lagert und lauert auch in der Galerie allerorten, wie etwas Frank Herzogs Schaumstoff-Leguan auf der Garderobenstange. Der zerfließende Raum mit seinen grobkörnig offenen Strukturen in einer Fotoarbeit von Gina Lee Felber zeigt wabernde, sich auflösende Netze, die zwischen freiem Fall und Zersetzung poetische Bilder des Niedergangs ergeben. So ließe sich durchaus ein hoffnungsvolles Fazit aus dem Motto der Ausstellung ziehen: dass nämlich ein kreatives Potenzial (nicht nur von Künstlern) in der Lage ist, vermeintliche Niedergänge als visionäre Anstösse zu begreifen.