DER
HUMOR DER QUALLEN: Einige erstaunliche Wechselwirkungen in der Kunst.
Bizarres
Ich und hart wie Gummi: Colin Cook und Charles Worthen in den Galerien
Mirko Mayer und Gabriele Rivet.
VON
U. JAGLA - BLANKENBURG
"Relax"
oder "Everything is beautiful" lauten verheißungsvoll
die Titel und Botschaften der Videos von Colin Cook in der Galerie Mirko
Mayer, doch die Frohgemute Ausstrahlung der stets ichzentrierten Bilder
ist zweischneidig. Auf kuriose Weise stellt der junge Amerikaner aus Kalifornien
seinen eigenen, "ganz normalen Körper ins Zentrum der Betrachtung,
malträtiert ihn mit abstrusen digitalen Veränderungen und absurden
Verzerrungen. Auf eine festgelegte Bildsprache lässt er sich nicht
ein, denn die grotesken Entwürfe seines beschwingten Alter Ego reichen
von neorealistischen Inszenierungen bis hin zu künstlichsurrealen
Aufzügen.
Da stapft er fröhlich singend, die Videokamera um den Bauch gebunden,
durch die hektischen Straßen von Los Angeles, kommuniziert in Babysprache
und neonfarbenem Strampelanzug mit einem Kleinkind oder richtet Hypnotische
Appelle an gestresste Erdenbürger. Doch bleibt einem zwischen so
viel Selbstironie und absurder Lächerlichkeit schon das Lachen im
Halse stecken, denn man ahnt und weiß selbst nur allzu gut, dass
ein Scheitern dieser zwanghaften Ich-Figur schon programmiert ist.
Bei Fotos, Zeichnungen und Collagen besteht Cook auf nüchterne Präsentationsformen.
Recht unspektakulär ist da Handgeschriebenes oder Fotokopiertes mit
Nadeln an die Wand gepinnt. Auch dabei stellt sich Cook ins Zentrum einer
Betrachtung, die sich subversiv mit Körperkult und Männlichkeitswahn
auseinander setzt.
Sind es nun jene seltsam durchlöcherten Körperpartien oder seine
mit grellen Kunststoff überzogenen Gliedmaßen, die da im gleichen
Selbstverständnis wie auf Familien-fotos auftreten - immer verblüfft
das sarkastische Wechselspiel von authentischer Vorgabe und verzerrtem
Resultat. Mit simplen technischen und formalen Mitteln wird eine "Realität
auf Abwegen" gezeichnet, die drastisch-humorvoll die fraglichen Selbstentwürfe
der westlichen Gesellschaft in Frage stellt.
Weit weniger gesellschafskritisch, doch dafür um so verführerischer
in ihrer Wirkung erweist sich die wuchernde Plastik-Ästhetik von
Charles Worthen in der Galerie Gabriele Rivet. Ein archaisches Universum
von wabernden Mikroorganismen, bunt und schleimig, bevölkert Wände,
Böden und Kellergeschoss. Humorvoll und bewusst trivial erweisen
sich die quallenartigen Skulpturen aus der Reihe "Recent Stuff"
zunächst als lustvolle Gespielinnen des Betrachters. Biegsam und
beweglich erscheinen jene Weichteilformen oder die aus bunten Plastik
- Scheibletten aufgeschichteten Köpfe und Kugeln. Doch bei Berührung
jenes scheinbar so formbaren Spielzeugs für Erwachsene wird man sogleich
eines Besseren belehrt. Der Eindruck von schmeichelnder Weichheit wechselt
über zur Erfahrung von unnachgiebiger Härte, denn die vorgeblich
nachgiebige Form erweist sich als reaktionsloser Panzer.
Vor jenem Hintergrund spannungsreicher Wechselwirkungen lotet Worthen
die gestalterischen Möglichkeiten des starren, aber haptisch reizvollen
Materials Gummi aus. Vestenamer ist eine besonders harte Variante und
eignet sich für resistente Körper und Gefüge. Bislang bevorzugte
er weiches Silikon, das mit seinem Hauptbestandteil Silizium noch die
Spuren frühester Kulturen in sich trägt.
Feuerstein oder alte ägyptische Skulpturen sind aus jener robusten
Kieselerde, die uns heute, in absorbierter Form zu Silikon, vor den Einwirkungen
einer als feindlich empfundenen Umwelt schützen soll. So sichern
diese "kunstvollen" Stoffe sowohl den eigenen, inneren Raum,
wie sie den äußeren abwehren. In jenem Wechselspiel zwischen
Anziehungskraft, Intimität und Distanz erweisen sich die geschmeidig-stahlharten
Kleinteile als schillernde Täuschungsmanöver zwischen Realität
und Vorstellungswelt.
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