Wie
feines Haar hängen die dünnen Netze von der Decke auf den Boden
herab, in die Annebarbe Kau kleine Lautsprecher platziert hat. Leise Geräusche
klingen heraus, und ein Tsch- Ton mahnt die Besucher, still
zu sein. Erst dann wird man hören, was zu hören möglich
ist. Und erst dann werden der äußere und der innere Raum zu
einem gleitenden Feld. So mischen sich Natur-Assoziationen mit Kindheitserinnerungen,
als man einst zu Stille und Aufmerksamkeit gebracht wurde, damit die Sinne
all ihre Achtsamkeit entwickeln sollten. Weil solche Erfahrungen in der
lauten, hektischen Alltäglichkeit leicht und oft für immer vergessen
werden, hat die Künstlerin Annebarbe Kau sich aufgemacht, einen Weg
zurück zu finden, der tatsächlich jedoch ein Pfad nach vorne
ist.
Mit den ungeschminkten Mitteln moderner Künstlichkeit (Kabel, Nylonnetz,
Plexiglas, Draht) schlägt sie eine überraschende Brücke
zu einer Natur-Erfahrung, die in ihrer ganzen Unscheinbarkeit immer noch
atemberaubender ist als jeder grelle kulturelle Effekt. Ist das die neue
Romantik der hoch technisierten Kultur, wenn zwei kleine Lautsprecher
in einem orangen Plexiglaskasten die Klänge einer Wiese übertragen
? Und wird das moderne Märchen vom Engelshaar und der
Frage, ob Fische hören können, nicht mehr von der
Großmutter erzählt, sondern von namenlosen Lautsprechern, die
ebenso zufällig wie die fremd-vertrauten Laute in einem Garten ans
Ohr klingen?
Farbige Drahtsäulen
Der Garten ist auch das Motiv einer raumgreifenden Installation
im Keller der Galerie Rivet. Farbige, verschieden hohe Drahtsäulen
(umwickelt mit verschiedenen Kunststoff-Folien und Kordeln) bilden mit
Glühbirnen und Lautsprechern ein Ensemble, in dem Farbe, Licht und
Klang einander sanft berühren. Manchmal durchzuckt eine kleine Lichtschwankung
die roten Glühbirnen. Aus den Lautsprechern lacht und klopft es.
Und die Wattebäusche in der blauen Kordelumschnürung scheinen
sich zu bewegen, je länger man schaut. Wie eine Schauspielkulisse,
in der Skulpturen die Akteure sind, kann man die Szenerie von außen
betrachten oder sich selbst zum Teilnehmer machen, indem man hineingeht.
Wer lacht? Wer bewegt sich warum und in welche Richtung? In welchem Theater
sind wir denn? Die Fragen, die aus dem Kunstwerk hervorgehen, sind die
Fragen des Lebens selbst. Und die zentrale Problematik besteht zweifelsohne
darin, ob man in den schlichten Objekten nichts weiter sieht als banale
Alltagsmaterialen oder ob man die Fähigkeit besitzt, feinfühlig
darüber hinauszuträumen. In weiteren Arbeiten hat Annebarbe
Kau aus kleineren Kordelstücken gewitzte Zeichnungen entwickelt,
die vom leeren Raum zwischen den Dingen und der Be-Deutung der Knoten
handeln. Und in einer Videoprojektion einander berührender Hände
auf einem echten Stein lenkt sie schließlich den Blick
auf die Nahtstelle zwischen der immateriellen Faszination neuer Bildwelten
und einem sinnlichen Verlangen, das untrennbar mit allen Begreifen verbunden
ist.
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