Annebarbe Kau
Jürgen Kisters: " Um Ruuhe wird gebeten. Annebarbe Kau wehrt sich gegen grelle Effekte."
In: Kölner Stadt-Anzeiger vom 13.07. 2001.
 

Wie feines Haar hängen die dünnen Netze von der Decke auf den Boden herab, in die Annebarbe Kau kleine Lautsprecher platziert hat. Leise Geräusche klingen heraus, und ein „Tsch“- Ton mahnt die Besucher, still zu sein. Erst dann wird man hören, was zu hören möglich ist. Und erst dann werden der äußere und der innere Raum zu einem gleitenden Feld. So mischen sich Natur-Assoziationen mit Kindheitserinnerungen, als man einst zu Stille und Aufmerksamkeit gebracht wurde, damit die Sinne all ihre Achtsamkeit entwickeln sollten. Weil solche Erfahrungen in der lauten, hektischen Alltäglichkeit leicht und oft für immer vergessen werden, hat die Künstlerin Annebarbe Kau sich aufgemacht, einen Weg zurück zu finden, der tatsächlich jedoch ein Pfad nach vorne ist.

Mit den ungeschminkten Mitteln moderner Künstlichkeit (Kabel, Nylonnetz, Plexiglas, Draht) schlägt sie eine überraschende Brücke zu einer Natur-Erfahrung, die in ihrer ganzen Unscheinbarkeit immer noch atemberaubender ist als jeder grelle kulturelle Effekt. Ist das die neue Romantik der hoch technisierten Kultur, wenn zwei kleine Lautsprecher in einem orangen Plexiglaskasten die Klänge einer Wiese übertragen ? Und wird das moderne Märchen vom „Engelshaar“ und der Frage, ob „Fische hören können“, nicht mehr von der Großmutter erzählt, sondern von namenlosen Lautsprechern, die ebenso zufällig wie die fremd-vertrauten Laute in einem Garten ans Ohr klingen?

Farbige Drahtsäulen
Der „Garten“ ist auch das Motiv einer raumgreifenden Installation im Keller der Galerie Rivet. Farbige, verschieden hohe Drahtsäulen (umwickelt mit verschiedenen Kunststoff-Folien und Kordeln) bilden mit Glühbirnen und Lautsprechern ein Ensemble, in dem Farbe, Licht und Klang einander sanft berühren. Manchmal durchzuckt eine kleine Lichtschwankung die roten Glühbirnen. Aus den Lautsprechern lacht und klopft es. Und die Wattebäusche in der blauen Kordelumschnürung scheinen sich zu bewegen, je länger man schaut. Wie eine Schauspielkulisse, in der Skulpturen die Akteure sind, kann man die Szenerie von außen betrachten oder sich selbst zum Teilnehmer machen, indem man hineingeht.

Wer lacht? Wer bewegt sich warum und in welche Richtung? In welchem Theater sind wir denn? Die Fragen, die aus dem Kunstwerk hervorgehen, sind die Fragen des Lebens selbst. Und die zentrale Problematik besteht zweifelsohne darin, ob man in den schlichten Objekten nichts weiter sieht als banale Alltagsmaterialen oder ob man die Fähigkeit besitzt, feinfühlig darüber hinauszuträumen. In weiteren Arbeiten hat Annebarbe Kau aus kleineren Kordelstücken gewitzte Zeichnungen entwickelt, die vom leeren Raum zwischen den Dingen und der Be-Deutung der Knoten handeln. Und in einer Videoprojektion einander berührender Hände auf einem „echten“ Stein lenkt sie schließlich den Blick auf die Nahtstelle zwischen der immateriellen Faszination neuer Bildwelten und einem sinnlichen Verlangen, das untrennbar mit allen Begreifen verbunden ist.