Fimmel,
Zwang, Neurose - wenns ums Waschen geht, wird´s ganz schnell
ernst. Und intim. Reinlichkeit ist eine Sache, über die man nicht
gerne spricht. Und beim Reinemachen lässt man sich auch so nicht
gerne beobachten. Ein Umstand, der Anna Anders zu vielfältigen (Video)-Betrachtungen
über das Thema angeregt hat. Bei Gabriele Rivet fand sie dafür
ideale Voraussetzungen: Steht hier doch im Zentrum der Galerie ein echtes
Badezimmer als realistisches Ambiente für entsprechende Video-Projektionen
bereit.
Bereits beim Betreten des großen Hauptraumes umfängt den Besucher
eine dichte Geräuschkulisse diverser Reinigungsaktivitäten.
Er vernimmt das Quietschen von Fensterleder, hört das Plätschern
einer Dusche , erkennt das typische Geräusch einer rotierenden Waschmaschinentrommel.
All das kann er auch sehen: Da steht eine Waschmaschine, in deren Bulllauge
ein im Hauptwaschgang befindlicher Frauenkopf kreist, ein
Duschvorhang gibt den Blick frei auf verschiedene, sich nacheinander ausgiebig
duschende Personen. Hände mit Lappen in dem Kunsthistorisch bedeutungsschwangeren
Farbtrio Gelb-Rot-Blau (Barnet Newmans Yellow-Red-Blue lässt grüßen)
wischen unentwegt kleine Scheiben sauber. Einen regelrecht kunstmarktechnischen
Reinigungsvorgang kann man an der hinteren Galeriewand beobachten: Hier
ist zu sehen, wie die Wand von dem Bild der letzten Ausstellung befreit
und für die nächste mit einem frischen grünen Farbanstrich
präpariert wird. Die raumbezogenen Videoinstallationen von Anders
beschreiben Alltagsrituale.
Hinterrücks beobachtet
In ihrer ersten Einzelausstellung hat die 1959 in München geborene
Künstlerin den Themenkomplex Reinigung mit der für
sie typischen Leichtigkeit auf mehreren Ebenen ausformuliert, die sich
in der Gesamtsituation schlüssig ergänzen. Dabei geht es ihr
weniger um große Mitteilungen zur Sache, als vielmehr um kleine,
sich durch Blickverschiebungen ergebende Aspekte. Um das Dazwischen, das
was zwischen dem Sehenden und dem Gesehenen passiert und das gemeinhin
übersehen wird.
Life size nennt sie selber diese Installation, in der sich
die einzelnen in Realformat projizierten Videos zu einem lebensgroßen
Erlebnisfeld zusammenschließen.
Wenn man sich angesichts der ganzen zur Schau gebotenen Putzerei plötzlich
ein wenig unwohl fühlt, so liegt das zum einem an dem obsessiv vorgetragenen
Thema, zum anderen an der Tatsache, dass man bei seiner Beobachtung dieser
Waschvorgänge nicht allein ist: Man wird selbst beobachtet. Hinterrücks
durch eine Fensteröffnung spähend, macht eine Gruppe Neugieriger
den Besucher zum Begafften.
Eine Steigerung erfährt diese voyeuristische Spannung im Badezimmer.
Im geschlossenen Raum des stillen Örtchens wird der Besucher Zeuge
einer Badeszene: In der Wanne frönt eine Frau unter genussvollem
Summen ihrer Badelust. Im Waschbecken werden zwei Hände nicht müde,
einander einzuseifen. Das alles geschieht allerdings unter den Augen diverser
Personen, die von außen hereinschauen und jede Bewegung der Wasch-Rituale
zu verfolgen scheinen. Der sich in dem per Definition nicht öffentlichen
Raum des Badezimmers befindliche Besucher fühlt sich durch diese
Blicke doppelt entblößt: Zum einen, weil andere ihn beim Beobachten
intimer Szenen beobachten, zum anderen, weil er sich selber durch seine
Anwesenheit in diesem Raum in einen eigentlich nicht für Publikum
bestimmten Zustand versetzt hat.
In ihrer Videoinstallation hat Anna Anders Blickverbindungen und Bedeutungsebenen
zu einem dichten Geflecht , einer Art visuellem Spinnennetz verwoben,
in dem der Besucher mal als lauernder Jäger , mal als hilflose Beute
erscheint. Im Fadenkreuz der Blickverbindungen merkt er sehr schnell:
Reinigungsrituale bleiben an der Oberfläche. Blicke dringen tiefer.
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