Sumi Maro Neurotransmitter 6/2000

Neurotransmitter- Galerie
„Ein glaubwürdiger und ernsthafter Mann“

Ob der japanische Maler Sumi Maro mit dem Titel „Ein glaubwürdiger und ernsthafter Mann“, den er seiner letzten und bislang aufwendigsten Ausstellung gab, auf sich selbst, seinen Auftraggeber, den Pianisten Christian Zacharias, seinen großen Malerkollegen Albrecht Altdorfer oder aber auf die historische Gestalt Alexander den Großen anspielte, vermag vielleicht nicht einmal er selbst noch genau zu beantworten – so sehr verwoben sich im Laufe der Jahre die Ebenen, auf denen dieses höchst ungewöhnliche Projekt entstand. Oder ging es ihm gar bloß um ein stolzes Zurückweisen des gut gemeinten Vorschlags seines Auftraggebers, ihn von der akribischen Vollendung als einzig möglicher Form der Fertigstellung zu entbinden?
Der Kampf des Künstlers mit sich selbst
Der Auftrag beinhaltete eine Kopie der berühmten „Alexanderschlacht“ (1529) von Albrecht Altdorfer (1480-1538), einem höchst komplexen Gemälde, das die legendäre Schlacht bei Issos zwischen dem Perserkönig Darius und dem griechischen Heer unter Alexander dem Großen im Jahr 333 v. Chr. darstellt. Zum Ruhm des Bildes, das zeitweise Napoleons Badezimmer schmückte und heute zu den Meisterwerken der Alten Pinakothek in München gehört, trug vor allem die brillante Komposition und die detailgetreue Schilderung zahlreicher Einzelheiten bei. Sumi Maro hat wie Altdorfer drei Jahre an dem relativ kleinen (158,4 x120,3 cm) Gemälde gearbeitet, doch handelt es sich keinesfalls um eine herkömmliche Kopie: „Zeitgenössisch ist der konzeptuelle Kunstgriff, mit dem der Kopist, der doch ein Künstler ist, seine Hommage an Altdorfer mit der Gegenwart verknüpft: Es gibt einen Auftraggeber, den Pianisten Christian Zacharias, und dieser taucht, winzig, bebrillt, als gemeiner Soldat und als Fürst in den Heeresmassen auf. Seinen Namen verkünden die Fahnen. Der Kampf des Künstlers mit sich selber wird hier aufgeführt.“ (Susanne Henle, Frankfurter Allgemeine Zeitung).
Aoki immer gegenwärtig- sie blieb nur unentdeckt
Der Kampft des Künstlers um ein Werk, der Kampf des Menschen um ein Bild: Denn Sumi Maro gab dem Darius, der auf seiner Flucht vor Alexander Mutter und Frau auf dem Schlachtfeld zurückließ, sein Gemälde von Aoki als Beute mit auf den Fluchtwagen, ein Bild, das auch in der Serie, die Christian Zacharias zum Auftrag bewog, eine zentrale Rolle spielt. „She was born a long long time ago“ nannte sich das Projekt, in dem Sumi Maro seinen Sammlern anbot, sich als Hommage an die von ihm verehrten alten Meister als Kopist derer Bilder und als Portraitist seiner Auftraggeber zu betätigen. Und in sämtliche Kopien baute er Aoki ein, ein japanisches Mädchen im Schuluniform, das damals wie andere junge Frauen bereits vor ihr, über Jahre hinweg Sumi Maros Modell war: Sie erschien als Fayence auf einem Gefäß, in einer Gemme, als Tätowierung auf einem Arm oder als Stickerei auf einem Brokatgewand. Und so wie Sumi Maro mit jenem Projekt die Malereigeschichte umschrieb – Aoki war schon immer präsent, nur hatten wir sie niemals entdeckt – so ging die Schlacht bei Issos wohl auch um etwas ganz anderes, als die Geschichtsbücher uns glauben machen wollen.
Und mit Darius Fluchtwagen in der Alexanderschlacht, die Sumi Maro außerdem in „The battle of Sumi Maro“ und „The battle between Christian Zacharias and Sumi Maro“ behandelte, sollte Aoki schließlich aus seinem Werk verschwinden.