Interview
mit Belu-Simion Fainaru
Das
Spiel mit Texten hat eine lange Tradition
Der israelische Künstler, der in der Galerie Rivet ausstellte, über
seine Kunst und seine Kölner Erfahrungen
Der israelische Künstler Belu-Simion Fainaru (Jahrgang 1959) siedelte
als 13-Jähriger von Rumänien nach Israel um. Der Künstler,
der an der von Jan Hoet organisierten Kasseler documenta 9 teilnahm, beschäftigt
sich bevorzugt mit der jüdischen Kultur und Religionsgeschichte,
indem er sie mit modernen Medien und Symbolen in Austausch bringt. In
Haifa und Antwerpen lebend, waren seine Kunstwerke mehrfach in deutschen
Städten zu sehen, so im WilhelmLehmbruckMuseum in Duisburg.
Zum Ende seiner an diesem Samstag in der Kölner Galerie Rivet zu
Ende gehenden Ausstellung ein Gespräch mit dem Künstler über
seine Arbeit und seine Kölner Erfahrungen.
Herr Fainaru, was ist der Grund für ihre beharrliche künstlerische
Auseinandersetzung mit der jüdischen Religion? Sind Sie ein gläubiger
Jude?
Fainaru: Ich selbst bin keine religiöse Person. Ich kam im Alter
von 13 Jahren von Bukarest nach Israel und versuche seitdem meine jüdische
Identität zu verstehen. Mit künstlerischen Mitteln gehe ich
zurück zur Tradition.
Also auch auf die Religion. . .
Fainaru: Ich greife auf religiöse Themen zurück, um aktuelle
Probleme zu reflektieren, etwa wenn ich ein altes Holzschiff mit einem
Glaskasten darauf als moderne Arche präsentiere, darin ein Hochzeitskleid
und ein Video vom Anzünden einer Kerze, als Zeichen der Hoffnung
und für den Beginn des Sabbath. Oder ich versuche zu begreifen, was
es bedeutet , wenn in manchen orthodoxen Gegenden am Sabbath sogar die
Verkehrsampeln ausgeschaltet werden. Dazu habe ich zum Beispiel eine Ampel
für Pferde entwickelt, die an einer Straßenecke platziert wurde.
Sie greifen in ihrer Kunst oft Literatur auf, arbeiten sogar häufig
mit Schriftstellern in gemeinsamen Projekten zusammen, wie vor zwei Jahren
in einer großen Ausstellung im Israel-Museum in Jerusalem. Was ist
der Hintergrund dafür?
Fainaru: Die jüdische Tradition ist vor allem als geschriebene Geschichte
verkörpert. Texte und die Interpretation von Texten prägte über
Jahrtausende die jüdische Kultur. Juden spielen mit Wörtern
in einer sehr kreativen Weise. Beides, die jüdische Philosophie und
die hebräische Sprache, spielen eine große Rolle im israelischen
Alltag. Und wenn man als Künstler diesen Kulturzusammenhang verstehen
will, muss man sich mit den alten Texten und Symbolen auseinandersetzen.
Hinzu kommt, dass man in vielen orthodoxen Stadtvierteln keine Skulpturen
präsentieren kann; es würde nicht akzeptiert. Aber man kann
künstlerische Texte verwenden, wie etwa die Fantasie-Straßenschilder,
die ich entworfen habe. Kunst in Form von Texten wird aufgenommen. Außerdem
finde ich das Zusammenwirken verschiedener künstlerischer Disziplinen
enorm wichtig.
Würden Sie Ihre Kunst als eine spezifisch israelische oder jüdische
ansehen?
Fainaru: Kunst hat keine Grenzen. Was man in Israel macht, sieht man in
Japan oder in Köln. Künstler beschäftigen sich überall
mit den gleichen Themen. Grundsätzlich gilt, dass man sich mit dem
beschäftigen muss, was einem am nächsten ist, was in der eigenen
Lebensumgebung passiert. Entscheidend ist nicht, wie man es nennt, sondern
wie und wo man es präsentiert.
Gibt es etwas, das ihnen während Ihres Kölnaufenthalts an der
Kölner Kunstlandschaft besonders aufgefallen ist?
Fainaru: Ich hatte zuvor von Köln als Kunstzentrum gehört. Tatsächlich
erscheint es nicht wie ein Zentrum, eher wie eine seltsame Mischung aus
großstädtischen und kleinstädtischen Elementen. In der
Kunst ist es heutzutage schwer, interessante Dinge zu finden. Vieles ist
gleich, überall in der Welt. Wenn man eine Stadt besucht, die als
Kunstzentrum gilt , denkt man, man würde etwas Besonderes sehen,
doch dann entdeckt man es nicht. Wahrscheinlich ist das eine typische
zeitgemäße Erfahrung, in der sich die Krise der Moderne ausdrückt.
Man stellt sich vor, in der Kunst müsse etwas Neues, Unbekanntes,
Unerwartetes geben aber in Wahrheit ist es nirgends zu sehen.
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