Fainaru KSTA 14,15/8/1999

Interview mit Belu-Simion Fainaru

Das Spiel mit Texten hat eine lange Tradition
Der israelische Künstler, der in der Galerie Rivet ausstellte, über seine Kunst und seine Kölner Erfahrungen
Der israelische Künstler Belu-Simion Fainaru (Jahrgang 1959) siedelte als 13-Jähriger von Rumänien nach Israel um. Der Künstler, der an der von Jan Hoet organisierten Kasseler documenta 9 teilnahm, beschäftigt sich bevorzugt mit der jüdischen Kultur– und Religionsgeschichte, indem er sie mit modernen Medien und Symbolen in Austausch bringt. In Haifa und Antwerpen lebend, waren seine Kunstwerke mehrfach in deutschen Städten zu sehen, so im Wilhelm–Lehmbruck–Museum in Duisburg. Zum Ende seiner an diesem Samstag in der Kölner Galerie Rivet zu Ende gehenden Ausstellung ein Gespräch mit dem Künstler über seine Arbeit und seine Kölner Erfahrungen.
Herr Fainaru, was ist der Grund für ihre beharrliche künstlerische Auseinandersetzung mit der jüdischen Religion? Sind Sie ein gläubiger Jude?
Fainaru: Ich selbst bin keine religiöse Person. Ich kam im Alter von 13 Jahren von Bukarest nach Israel und versuche seitdem meine jüdische Identität zu verstehen. Mit künstlerischen Mitteln gehe ich zurück zur Tradition.
Also auch auf die Religion. . .
Fainaru: Ich greife auf religiöse Themen zurück, um aktuelle Probleme zu reflektieren, etwa wenn ich ein altes Holzschiff mit einem Glaskasten darauf als moderne Arche präsentiere, darin ein Hochzeitskleid und ein Video vom Anzünden einer Kerze, als Zeichen der Hoffnung und für den Beginn des Sabbath. Oder ich versuche zu begreifen, was es bedeutet , wenn in manchen orthodoxen Gegenden am Sabbath sogar die Verkehrsampeln ausgeschaltet werden. Dazu habe ich zum Beispiel eine Ampel für Pferde entwickelt, die an einer Straßenecke platziert wurde.
Sie greifen in ihrer Kunst oft Literatur auf, arbeiten sogar häufig mit Schriftstellern in gemeinsamen Projekten zusammen, wie vor zwei Jahren in einer großen Ausstellung im Israel-Museum in Jerusalem. Was ist der Hintergrund dafür?
Fainaru: Die jüdische Tradition ist vor allem als geschriebene Geschichte verkörpert. Texte und die Interpretation von Texten prägte über Jahrtausende die jüdische Kultur. Juden spielen mit Wörtern in einer sehr kreativen Weise. Beides, die jüdische Philosophie und die hebräische Sprache, spielen eine große Rolle im israelischen Alltag. Und wenn man als Künstler diesen Kulturzusammenhang verstehen will, muss man sich mit den alten Texten und Symbolen auseinandersetzen. Hinzu kommt, dass man in vielen orthodoxen Stadtvierteln keine Skulpturen präsentieren kann; es würde nicht akzeptiert. Aber man kann künstlerische Texte verwenden, wie etwa die Fantasie-Straßenschilder, die ich entworfen habe. Kunst in Form von Texten wird aufgenommen. Außerdem finde ich das Zusammenwirken verschiedener künstlerischer Disziplinen enorm wichtig.
Würden Sie Ihre Kunst als eine spezifisch israelische oder jüdische ansehen?
Fainaru: Kunst hat keine Grenzen. Was man in Israel macht, sieht man in Japan oder in Köln. Künstler beschäftigen sich überall mit den gleichen Themen. Grundsätzlich gilt, dass man sich mit dem beschäftigen muss, was einem am nächsten ist, was in der eigenen Lebensumgebung passiert. Entscheidend ist nicht, wie man es nennt, sondern wie und wo man es präsentiert.
Gibt es etwas, das ihnen während Ihres Kölnaufenthalts an der Kölner Kunstlandschaft besonders aufgefallen ist?
Fainaru: Ich hatte zuvor von Köln als Kunstzentrum gehört. Tatsächlich erscheint es nicht wie ein Zentrum, eher wie eine seltsame Mischung aus großstädtischen und kleinstädtischen Elementen. In der Kunst ist es heutzutage schwer, interessante Dinge zu finden. Vieles ist gleich, überall in der Welt. Wenn man eine Stadt besucht, die als Kunstzentrum gilt , denkt man, man würde etwas Besonderes sehen, doch dann entdeckt man es nicht. Wahrscheinlich ist das eine typische zeitgemäße Erfahrung, in der sich die Krise der Moderne ausdrückt. Man stellt sich vor, in der Kunst müsse etwas Neues, Unbekanntes, Unerwartetes geben — aber in Wahrheit ist es nirgends zu sehen.