GEWÖLK
AUS PAPIER
Künstler
im Umgang mit leichtem Material
Kaum zu glauben, wieviel raumgreifendes Volumen eine gewöhnliche
Postkarte annehmen kann. Heike Weber macht daraus einen einzigen langen
Streifen, immer haarscharf am Rand entlang schneidend, so daß sich
die Fläche in ein Gewölk gespreizter Papiertentakel auflöst.
Filigrane "Grüße von Peter" mit Spuren blauer Tintenhandschrift
- ein Imaginationsraum leichthin zwischen Wort und Bild fluktuierender
Gedankengänge.
Die Leichtigkeit des Materials scheint erfreulicherweise auf eine ganze
Reihe der sechzehn Künstler und Künstlerinnen mit knapp dreißig
Arbeiten zum Thema Papier übergriffen zu haben "Memories - when
the present meets the past" nennt Jarg Geismar seine so verspielte
wie tiefgründige Installation im Badezimmer: Auf Tellern in der Badewanne
liegen aus Zeitungen ausgeschnittene Papierblüten in grüngefärbtem
Wasser, manche schwimmen an der Oberfläche, andere, neuzeitliche
Ablagerungen sind schon auf den Grund abgesackt.
Walter Dahn findet ein Vogelnest, in das ein alter Fünfzigmarkschein
eingearbeitet wurde. Ein bißchen zerfleddert und zurechtgedrückt,
wirkt das Papiergeld geradezu prädestiniert zur Schaffung optimaler
Nest-Qualitäten ("Eiserne Ration", 1989/90)
Christoph Preußmann zeichnet dichte, feinmodulierte Pastelle auf
Papier. Die reizvolle Oberflächenstruktur macht es erforderlich,
sehr nahe an das Bild heranzugehen. Dabei wird deutlich, daß der
Zeichenkarton nicht nur als Grund für die Zeichnung, sondern für
das gesamte dreidimensionale Bildobjekt als Gestaltungsmaterial dient.
Die Perspektive ändert sich dadurch völlig. Das Objekt als Ganzes
wird wichtig, seine Position zwischen Tafelbild und Buchillustration,
die ebensowenig faßbar ist wie die Diskrepanz zwischen seiner tatsächlichen
Leichtgewichtigkeit und dem evozierten Eindruck von Schwere.
Eher klassisch dagegen ist der Umgang mit Papier, den Karl Bohrmann zeitlebens
pflegte. Seine Leidenschaft für dessen farbliche, taktile und auch
erzählerische Qualitäten fand vor allem im Umgang mit gebrauchten
Papieren, Briefen, Umschlägen, Zetteln jeder Art eine Herausforderung.
Meist nur mit wenigen Pinselstrichen akzentuiert, zeugen die kleinen Collagen
und Zeichnungen von tiefer Materialkenntnis.
Und wie klingt Papier? Annebarbe Kaus Klanginstallation "Papier"
setzt auf das Elementare, die Reinheit des Papiers, seine durch den Herstellungsprozeß
bedingte enge Beziehung zu Wasser. Korbartige Kugeln aus Kaninchendraht
scheinen wie bizarre Blasen aufzusteigen, teilweise gefüllt mit weißem,
geknülltem Seidenpapier, das die wabenartige Äderung erscheinen
läßt. Ganz oben ist ein kleiner Lautsprecher angebracht. Er
antwortet dem optischen Eindruck einer Aufwärtsbewegung mit einem
feinen, zarten Rascheln, das geradezu an der Installation herunterzurieseln
scheint.
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