Papier KSTA 17-2-1999

GEWÖLK AUS PAPIER

Künstler im Umgang mit leichtem Material
Kaum zu glauben, wieviel raumgreifendes Volumen eine gewöhnliche Postkarte annehmen kann. Heike Weber macht daraus einen einzigen langen Streifen, immer haarscharf am Rand entlang schneidend, so daß sich die Fläche in ein Gewölk gespreizter Papiertentakel auflöst. Filigrane "Grüße von Peter" mit Spuren blauer Tintenhandschrift - ein Imaginationsraum leichthin zwischen Wort und Bild fluktuierender Gedankengänge.
Die Leichtigkeit des Materials scheint erfreulicherweise auf eine ganze Reihe der sechzehn Künstler und Künstlerinnen mit knapp dreißig Arbeiten zum Thema Papier übergriffen zu haben "Memories - when the present meets the past" nennt Jarg Geismar seine so verspielte wie tiefgründige Installation im Badezimmer: Auf Tellern in der Badewanne liegen aus Zeitungen ausgeschnittene Papierblüten in grüngefärbtem Wasser, manche schwimmen an der Oberfläche, andere, neuzeitliche Ablagerungen sind schon auf den Grund abgesackt.
Walter Dahn findet ein Vogelnest, in das ein alter Fünfzigmarkschein eingearbeitet wurde. Ein bißchen zerfleddert und zurechtgedrückt, wirkt das Papiergeld geradezu prädestiniert zur Schaffung optimaler Nest-Qualitäten ("Eiserne Ration", 1989/90)
Christoph Preußmann zeichnet dichte, feinmodulierte Pastelle auf Papier. Die reizvolle Oberflächenstruktur macht es erforderlich, sehr nahe an das Bild heranzugehen. Dabei wird deutlich, daß der Zeichenkarton nicht nur als Grund für die Zeichnung, sondern für das gesamte dreidimensionale Bildobjekt als Gestaltungsmaterial dient. Die Perspektive ändert sich dadurch völlig. Das Objekt als Ganzes wird wichtig, seine Position zwischen Tafelbild und Buchillustration, die ebensowenig faßbar ist wie die Diskrepanz zwischen seiner tatsächlichen Leichtgewichtigkeit und dem evozierten Eindruck von Schwere.
Eher klassisch dagegen ist der Umgang mit Papier, den Karl Bohrmann zeitlebens pflegte. Seine Leidenschaft für dessen farbliche, taktile und auch erzählerische Qualitäten fand vor allem im Umgang mit gebrauchten Papieren, Briefen, Umschlägen, Zetteln jeder Art eine Herausforderung. Meist nur mit wenigen Pinselstrichen akzentuiert, zeugen die kleinen Collagen und Zeichnungen von tiefer Materialkenntnis.
Und wie klingt Papier? Annebarbe Kaus Klanginstallation "Papier" setzt auf das Elementare, die Reinheit des Papiers, seine durch den Herstellungsprozeß bedingte enge Beziehung zu Wasser. Korbartige Kugeln aus Kaninchendraht scheinen wie bizarre Blasen aufzusteigen, teilweise gefüllt mit weißem, geknülltem Seidenpapier, das die wabenartige Äderung erscheinen läßt. Ganz oben ist ein kleiner Lautsprecher angebracht. Er antwortet dem optischen Eindruck einer Aufwärtsbewegung mit einem feinen, zarten Rascheln, das geradezu an der Installation herunterzurieseln scheint.