Charles
Worthen in der Galerie Gabriele Rivet
Farbfreude
und Verspieltheit kennzeichnen die Skulpturen des Amerikaners Charles
Worthen, die jetzt in der Galerie Gabriele Rivet in Köln ausgestellt
sind. Das Industrieprodukt Plastik hat Worthen in geradezu archaischer
Weise verarbeitet- geflochten, geknetet, wie Sahne gespritzt zu
Objekten, die eine hohe formale Eleganz und zugleich surrealen Reiz ausstrahlen.
Zu einer kleinen Kabinettschau mit wunderlichen Formen hat Worthen in
Köln seine skulpturalen Objekte arrangiert, die wie eine ethnologische
Schausammlung aus der Zukunft erscheint. Denn Worthen erreicht mit einer
scheinbar kunstgewerblichen Arbeitsweise verblüffend verfremdende
Wirkungen. Eine grell rosafarbige Wäscheleine hat er etwa zu einer
korbartigen Röhre verflochten, einem funktionsfreien Behälter:
Selbst der Titel, <Squirt>, Strahl, belegt die zwingende Suggestion
der bauchigen Form.
Doch nicht nur weil alle seine skurrilen Objekte solche Titel tragen,
liegen gegenständliche Assoziationen zu den völlig abstrakten
Formungen nahe. Denn bei Worthen folgt die Form nicht zwingend aus dem
Material; er versteht es, Silikon, PVC, Styropor, Vinyl oder Gummi leichthändig
in immer ungewöhnlichen Variationen zu verarbeiten.
Silikon etwa macht er sich souverän zu eigen, indem er es wie Sahne
verarbeitet, die zähe Fugenmasse zu cremeartigen Gebilden spritzt,
die den Wunsch nach Berührung der scheinbar stacheligen Hülle
wecken.
Charles Worthen, der 1958 in Boston geboren wurde und in Köln ansässig
ist, hat in Deutschland kaum ausgestellt, - bislang vorwiegend in Japan,
wo er neun Jahre lang lebte. Daher stammt wohl auch die Farbfreude und
Faszination an synthetischen Materialien. Andererseits ist momentan ebenso
in der europäischen zeitgenössischen Skulptur wieder eine Präferenz
für Plastik und Kunststoff zu beobachten. Es ist jedoch nicht die
Suggestion von Perfektion und Brillanz, die Worthen am industriellen Material
interessiert, sondern die Mannigfaltigkeit des Wandels und sein erzählerisches
Potential. Hinter der Leichtigkeit des Spiels, hinter der Poesie des Bizarren,
steht eine Haltung, die etwa vergleichbar Eva Hesses frühen
Skulpturen die Naturhaftigkeit und das Morbide des Materials betont,
gerade wegen seiner extremen Künstlichkeit. Die Oberflächenfarbe
ergibt sich meist aus der Materialfarbe, der haptische kalkuliert mit
dem optischen Reiz. Das Material bestimmt auch die Gestalt der Oberfläche.
Wenn die aus PVC-Bändern geflochtenen Tafelbilder in ihrer Wirkung
zwischen industrieller Perfektion und handwerklicher Struktur changieren,
testet Worthen ihre materiale Visualität aus im Zusammenspiel
mit der funktionalen Anmutung des Synthetischen, bringt vielleicht die
Alltagsmetapher für Benutzbarkeit ins Wanken durch die Kraft
der künstlerischen Imagination.
MICHAEL KRAJEWSKI
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