Ein
Spiel, bunt und sinnlichPoesie der Plastik: Skulpturen von Charles Worthen
in der Galerie Rivet
Von Renate Roos
Die
Plastikskulpturen Charles Worthens verführen zum Berühren, kaum
dass man die Galerie Rivet betreten hat. Glänzend und weich türmen
sich unzählige nougatfarbene Silikonspritzer, wie Sahnehäubchen
auf Cremetorten, zu surrealen Formen auf. In weiser Voraussicht ihres
unentrinnbar haptischen Reizes präsentiert Worthen in der Bibliothek
der Galerie kleinformatige Skulpturen zum Anfassen.
Hier verschmilzt wissenschaftlicher Forscherdrang mit ungehemmter Sinnenlust,
denn Charles Worthen verbindet die Plastikwelt seiner Skulpturen mit der
Poesie des Spiels. Der gebürtige Amerikaner erlebte seine Jugend
in Japan, inmitten von bunt leuchtendem Plastikspielzeug. Die glänzende
Farbigkeit und die weiche Konsistenz des Materials bildet in Worthens
Kunstverständnis eine Metapher auf die spielerische Kreativität
des künstlerischen Schaffens.
Die stilistische Offenheit und Vielschichtigkeit im Umgang mit dem Material
spiegeln dies wider. Stoffe wie Silikon, PVC, Vinyl, Gummi, Schaumstoff,
Styropor oder Polyäthylen werden gewebt, gepresst, gespritzt oder
geschmolzen. Die Materialien bestimmen die Formen. Neben der formal strengen
Eleganz konzeptioneller Arbeiten wie den Flechtbildern auf
deren glatter Oberfläche Lichtstreifen entlanghuschen, finden sich
poetische Objekte, die Assoziationen zulassen, ohne sie zu rechtfertigen.
Es sind meist archetyp anmutende Arbeiten mit doppeldeutigen Titeln, die
einen possenhaften Umgang mit der Vorstellung des Besuchers verraten.
Was da aussieht wie ein geflochtener afrikanischer Behälter mit dem
bedeutungsschwangeren Titel Strahl, kann seiner gedachten
Funktion nicht entsprechen, denn das Objekt besitzt weder ein Oben noch
ein Unten.
Indessen erstrahlt das Material, eine Wäscheleine, in einem grellen
Pink, das jeglichen Gedanken an archetype Formen im Keim ersticken lässt.
Die Ironie und das Absurde in Charles Worthens Arbeiten bewirkt beim Betrachter
jene gedankliche Leichtigkeit, die er benötigt, um dem spielerischen
Charakter der Arbeiten entgegentreten zu können.
Zähflüssige Masse
Die Arbeit Schokoladenkette aus riesigen, glänzend braunen
Gummikugeln sieht ihren süßen Originalen appetitlich ähnlich.
Einige der Kugeln sind in der Mitte aufgeklappt und zeigen die cremig
zähnflüssige Masse jener Füllungen, die man aus Pralinen
kennt . Doch noch während das Wasser im Mund zusammenläuft,
muss man sich der grausamen Realität zuwenden, die aus der sahnigen
Nougatfüllung wieder die ursprüngliche braune Fugenmasse werden
lässt. Erst das Zusammenspiel zwischen Phantasie des Besuchers und
der Illusion des Materials erzeugt jene spielerische Kreativität,
mit der die ernormen synästhetischen Wirkungen der Arbeiten sich
entfalten können.
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